Heimat und Familie

Pastor Christopher Clodius

von Gunter Sürig (als Aufsatz erschienen in “Bargen/Erfde” Einblicke in das Leben zweier Stapelholmer Dörfer  Husum Druck- und Verlagsgesellschaft 1999 www.verlagsgruppe.de)

(Wenn Sie mehr über die Nachkommen des Generalsuperintendenten Matthias Clodius wissen wollen, müssen Sie zu der anliegenden Nachkommenliste gehen. Es dauert eine Weile, da die Liste über 1400 Personen aufweist)

Im Altarraum der Erfder Kirche hängt ein lebensgroßes Bild des Pastors Christopher Clodius. Seit dem 28. Januar 1990 ist es dort wieder anzusehen, nachdem es mehrere Jahrzehnte auf dem Kirchenboden zugebracht hatte.

Im Rahmen eines Gottesdienstes erhielt das Bild damals seinen neuen Platz, und Dr. Hans Peter Stamp aus Rendsburg, der sich für die Erhaltung und Restaurierung des Bildes besonders eingesetzt hatte, hielt folgende Ansprache:

“Wenn man die Zeit von Christi Geburt bis heute in vier gleiche Teile teilt, liegen drei Viertel vor Martin Luther und ein Viertel zwischen dem großen Reformator und uns. Luther hat nicht nur das geistliche Leben entscheidend verändert, sondern auch eine völlig neue Form der Geistlichkeit geschaffen, und damit nicht zuletzt der Pastoren in unserer Heimat. Zu diesen gehörten Matthias Clodius sowie seine Söhne Christopher und Friedrich Philipp.

Wenn wir heute hier in der Erfder Kirche das frisch restaurierte Bild von Pastor Christopher Clodius enthüllen, gedenken wir damit auch der Pastorengeneration der ersten Jahrzehnte nach Luther. Viele von ihnen kamen aus Luthers Heimat im engeren und weiteren Sinne. Sie formten nicht nur das geistliche Leben neu, sondern gründeten in ihrer neuen Heimat auch Familien und wurden dadurch Vorfahren vieler heute hier lebender Menschen.

Martin Luther starb am 18. Februar 1546 in Eisleben, 14 Jahre später wurde Matthias Clodius in der Mark Brandenburg geboren. Nähere Einzelheiten über seine Herkunft habe ich bisher nicht in Erfahrung bringen können. Das Familienwappen gibt uns drei vage Hinweise: Das Kreuz als Zeichen für eine geistliche Familie, die Schlange als Symbol aller Heilberufe und der eiserne Helm als Hinweis auf einen ritterbürtigen Hintergrund.

Matthias Clodius war zunächst Diakon in St. Nikolai in Kiel. Da er dort noch 1595 genannt wird, dürften seine Söhne Christopher und Friedrich Philipp, beide ca. 1590 geboren, in Kiel zur Welt gekommen sein. Ab 1601 finden wir die Familie in Itzehoe; Matthias Clodius ist dort Pastor und der vierte evangelische Propst nach der Reformation. In den letzten Jahren seines Lebens, er starb am 16. Oktober 1623, war er auch Generalsuperintendent für den königlichen Anteil von Holstein und gehörte damit zur hohen Geistlichkeit unseres Landes.

Seine beiden Söhne weisen in ihren Lebensdaten erstaunliche Parallelen auf. Etwa gleichaltrig ergriffen sie beide den Beruf ihres Vaters. Sie hatten verschiedene Wirkungsstätten, auf ihrer letzten Pfarrstelle blieben sie jedoch beide ungewöhnlich lange. Friedrich Philipp wirkte 47 Jahre lang, von 1618 bis 1665, in Hohenfelde bei Itzehoe. Christopher war 52 Jahre lang, von 1619 bis 1671, Pastor in Erfde. Von beiden haben wir nach mehr als drei Jahrhunderten Bilder ihrer Persönlichkeit. Friedrich Philipps Handschrift in den frühesten Hohenfelder Kirchenbüchern und Christophers Bild, das uns heute hier zusammengeführt hat, sind so etwas wie lebendige Zeugnisse.

Schließlich haben beide, jeweils über Nachkommen eines Sohnes, eine in beiden Fällen in die Hunderte gehende Nachkommenschaft bis in die heutige Zeit. Christophers Sohn Matthias wurde Bauer in Erfde, Friedrich Philipps Sohn Detlef Bauer in Hohenfelde. Die beiden Vettern Detlef und Matthias hinterließen eine im wesentlichen bäuerlich geprägte Nachkommenschaft, der eine mit Schwerpunkt in der Kremper Marsch, der andere mit Schwerpunkt hier in Stapelholm.

Ca. 400 Jahre nach der Geburt der beiden Brüder enthüllen wir heute nach erneuter Restaurierung das Bild des einen der beiden. Christophers Bild wurde im Jahre 1884 schon einmal, wie es in der Stapelholmer Chronik von Jessen heißt, “wiederhergestellt”. Gemalt wurde es 1656 als Christopher Clodius nach heutigen Maßstäben ins Pensionsalter eintrat, aber noch 15 Jahre Amts- und Lebenszeit vor sich hatte.

Pastor Clodius Bild hat den Erweiterungsbau der Erfder Kirche mit einer Verdoppelung der Bausubstanz im Jahre 1682 erlebt und den Brand von 1768 überlebt. Damals verbrannte fast das gesamte Dorf einschließlich Kirchturm und Pastorat. Auch der Dachreiter der Kirche selbst stand schon in Flammen; es gelang aber, ihn zu löschen, so daß der gesamte brennbare Inhalt der Kirche vor dem Feuer gerettet wurde. Damals hing das Schicksal des Bildes also an einem seidenen Faden.

1884, 116 Jahre danach, mag dies unseren Vorfahren ein besonderer Ansporn gewesen sein, das Bild wiederherzustellen. So freuen auch wir uns, daß es uns erneut gelungen ist, dieses wichtige Stück Erfder Kirchengeschichte vor dem Verfall zu bewahren. Wir danken dem Landesamt für Denkmalpflege, der Nordelbischen Kirche, dem Erfder Kirchenvorstand und vielen privaten Spendern für die finanzielle Absicherung dieses Unternehmens. Ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Pastor Greve für sein verständnisvolles und intensives Engagement, durch das der mehr als ein Jahrzehnt alte Plan nun doch schnell verwirklicht werden konnte. Ein Dank gebührt auch Herrn Rolf Beier, der sich als fachkundiger Tischler mit der Wiederherstellung des Rahmens und seiner hübschen Gestaltung große Mühe gemacht hat. Der Restauratorin schließlich, Frau Rosamunde Plambeck aus Emkendorf, danken wir ganz besonders für ihre gelungene Arbeit. Es ist Ihnen, Frau Plambeck, nicht nur gelungen, das Bild vor dem Verfall zu retten; Sie haben es darüber hinaus verstanden, die ursprüngliche künstlerische Leistung in den Gesichtszügen von Christopher Clodius wieder aufleben zu lassen. Das werden Ihnen besonders seine hier zahlreich versammelten Nachkommen zu danken wissen, die in verständlicher Weise an Person und Aussehen von Christopher Clodius ein ebenso großes Interesse haben, wie wir alle an dem reizvollen kirchengeschichtlichen Gesamtzusammenhang.”

Das Bild hat inzwischen vielfältige Beachtung gefunden. Vor einigen Jahren wurde es auch von einem sehr prominenten amerikanischen Professor in Augenschein genommen. Prof. Dr. Robert Leroy Clodius aus Washington, langjähriger Präsident der National Association of State Universities and Land Grant Colleges, hatte in Erfde seine “roots” entdeckt. Als Vertreter seiner Organisation, die der Deutschen Rektorenkonferenz entspricht, unterhielt er sich auf einem Kongreß in Helsinki mit seinem damaligen deutschen Kollegen, dem Hamburger Theologieprofessor Fischer-Appelt. Clodius und der Präsident der Deutschen Rektorenkonferenz kannten sich von mehreren Kongressen und hatten sich ein wenig angefreundet.

Fischer-Appelt fragte Clodius nach der Herkunft seiner Vorfahren. Der Amerikaner sagte, sie seien aus Dänemark gekommen, aus Heide in Dänemark. Zunächst wurde er von seinem Hamburger Kollegen darüber aufgeklärt, daß Heide nicht in Dänemark sondern in Schleswig-Holstein liege. Dann kam die Einladung, in Hamburg Zwischenstation zu machen. Wenige Tage später fuhren die beiden von Hamburg nach Heide, wo Clodius Großeltern gelebt hatten. Von dort führte der Weg zu weiteren “roots” zunächst nach Wallen an der Eider und schließlich nach Erfde, wo Clodius mit großer Rührung vor dem Bild seines Vorfahren stand. Sein zwei Jahre später geborener Enkel wurde dann auch auf den Namen Christopher getauft.