Nr. 4 vom 29. Januar 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Heute soll es hier um ein Thema gehen, dass in landwirtschaftlichen Fachkreisen zwar nicht neu ist, in jüngster Zeit aber in erfreulicher Weise auch zum Gegenstand der Berichterstattung der Wissenschaftsseiten großer Zeitungen geworden ist. Unter der Überschrift "Mit Dufttricks schützen sich Pflanzen vor Feinden" brachte gerade in der vorigen Woche eine Sonntagszeitung eine Reportage über neuere Forschungsergebnisse zu dem Phänomen, wie Fressfeinde von Pflanzen durch eben von diesen Pflanzen produzierte Gifte abgewehrt werden.

Pflanzen können nicht weglaufen, wenn Käfer an ihren Blättern nagen oder Blattläuse ihren Saft saugen. Sie haben zur Verteidigung aber chemische Waffen entwickelt, die nicht nur direkt gegen den Angreifer gerichtet sind, sondern auch als Lockstoffe dienen, um die Feinde ihrer Feinde herbeizurufen. So verdreifacht zum Beispiel der Pastinak seinen Gehalt an giftigen Cumarinen, wenn Schmetterlingsraupen an seinen Blättern fressen. Nehmen Schmetterlingslarven die Cumarine mit ihrem geraubten Futter auf, sterben sie zwar nicht sofort, fressen aber weniger, wachsen langsamer und laufen ziellos herum. So werden sie leichter das Opfer von Vögeln und damit selbst zur Beute. Diese Fähigkeit, Abwehrreaktionen bei einem aktuellen Angriff gezielt zu verstärken hat man schon bei weit über 100 Pflanzenarten nachgewiesen. Es hat aber noch niemand die Frage gestellt, ob womöglich die Cumarine für die Vögel gefährlich werden.

Wilde Baumwolle alarmiert mit Lockstoffen Räuber möglicher Pflanzenfresser, wenn sie von diesen Pflanzenfressern angegriffen wird. Das ist so etwas wie ein "Ruf nach der Polizei" mit chemischen Mitteln. Im Verlaufe der Züchtung von Baumwolle auf höheren Ertrag, bessere Fasereigenschaften etc. ist diese Eigenschaft der Kulturbaumwolle verloren gegangen. Jetzt will man die alten Verteidigungsfähigkeiten wieder in die Kulturpflanzen einzüchten. Mit Hilfe herkömmlicher Zuchtmethoden und mittels Gentechnologie hat man gerade bei der Baumwolle in dieser Hinsicht in den zurückliegenden Jahren besonders beachtliche Erfolge erzielt. Es war allerdings bisher auch der Aufwand an Insektenvernichtungsmitteln bei kaum einer Kulturpflanze so groß wie bei der Baumwolle.

Die Herstellung von Lock- und Abwehrstoffen erst im Falle eines Angriffs ist übrigens besonders raffiniert. Denn das ständige Bereithalten dieser Stoffe würde Gefahren in sich bergen. In Versuchen hat man Kohlpflanzen gezüchtet, die zur Abwehr permanent Senföl bereit hielten und damit zwar gegen Schnecken bestens geschützt waren. Andererseits wurden diese Pflanzen stärker von Kohlweißlingen befallen, weil diese vom Senföl angelockt wurden. Die Kohlweißlinge haben gegen die für Schnecken giftige Substanz ihrerseits einen Gegenmechanismus vorzuweisen, indem sie im Laufe der Evolution ihren Körperstoffwechsel auf Senföl einstellen konnten.

Die moderne Pflanzenschutzforschung lernt aus diesen Erkenntnissen und baut die Methoden der Natur nach. Das Herbizid Basta ist so ein gelungener Nachbauversuch eines von Lebewesen in der Natur produzierten Abwehrstoffes. Gerade deswegen sollten diejenigen, die sich über gentechnologisch erzeugte Basta-Resistenzen so sehr aufregen können, das Ganze einmal vorurteilsfrei von vorne bis hinten neu überdenken. Und auch die Raffiniertheit, die Abwehrstoffe nicht ständig bereit zu halten, hat Eingang in den modernen Integrierten Pflanzenschutz gefunden. Es ist schön, dass dies neuerdings auch die Menschen erfahren, die keine landwirtschaftliche Fachliteratur lesen.