Nr. 20 vom 20. Mai 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Zweimal ging in den letzten Tagen eine patentrechtliche Diskussion im Zusammenhang mit land- bzw. forstwirtschaftlichem Hintergrund durch die Medien. Einmal auf kleiner Flamme nur in Deutschland in der landwirtschaftlichen Fachpresse und im Landfunk, und das andere Mal ganz groß in den überregionalen Zeitungen und im Fernsehen. In beiden Fällen ging es schlicht darum, dass es sich für die Patentierung um eine neue Erfindung handeln muss.

In unserem eher kleinen Fall hatte einer eine schlaue Idee gehabt. Er ließ sich den Anbau von Spargel etc. mit doppelter Folie patentieren und verschickte an Anbauer, die mit diesem Verfahren arbeiten, Aufforderungen zur Zahlung von Lizenzgebühren. Der Deutsche Bauernverband hat dies in aller Öffentlichkeit heftig kritisiert und darauf hin gewiesen, dass er eine Nichtigkeitsklage unterstützen würde. Die Kollegen vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd, in dessen Verbandsgebiet die meisten betroffenen Landwirte sind, konnten sich dann mit dem Patentinhaber über ein Stillhalteabkommen einigen. Der Verband in Rheinland-Pfalz kündigte an, er werde den Beweis erbringen, dass die Anbaumethode mit doppelter Folie zum Zeitpunkt der Patentvergabe bereits gängige Praxis im Gemüse- und Obstbau war. Der "Patentinhaber" verpflichtete sich, solange keine weiteren Bescheide herauszugeben und auch nicht auf Antworten auf die bereits verschickten Schreiben zu bestehen. Zur Klarstellung: Der Bauernverband hat für den Fall, dass jemand sich etwas wirklich Neues patentieren lässt, deutlich gesagt, dass geistiges Eigentum keinen geringeren Schutz genießen darf als anderes Eigentum.

In dem anderen Fall, der durch die Weltpresse ging, ist die Sache bereits entschieden. Das Patent auf die Nutzung des Öls aus dem indischen Neem-Baum, über das das US-Unternehmen Grace verfügte, ist nichtig. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hat das Patent aufgehoben, weil das Öl des Baumes in Indien bereits seit Jahrhunderten wegen seiner antibakteriellen und fungiziden Wirkung in der Humanmedizin und im Pflanzenschutz eingesetzt wird. Es sind 145 aktive Inhaltsstoffe des Neem-Baumes bekannt. Allein 40 von ihnen wirken auf die verschiedenste Weise gegen Insekten. Bakterizide Stoffe der Rinde dienen seit Alters her zum Gerben oder zur Mundpflege. Extrakte verschiedener Pflanzenteile werden gegen alle möglichen Krankheiten empfohlen, gegen Durchfall, gegen Bronchitis und Entzündungen und sogar gegen die Malaria, nachzulesen auch in Schriften, die tausend Jahre und älter sind.

Die Entscheidung der in München ansässigen Europabehörde ist von einigen Presseorganen allerdings auch gründlich missverstanden worden. Hier und da klang es im Blätterwald so, als wenn die armen Inder gegen den reichen Konzern aus mehr oder weniger sozialen Gründen in Schutz genommen worden seien. Nein, auch in München ging es nur um die Frage, ob das patentierte Nutzungsgut bzw. Verfahren neu war. Für die Fragen des Ausgleichs eventueller sozialer Gefälle ist das Patentamt nicht zuständig. Gefühle sind leicht zu erzeugen und deshalb ist für Journalisten die Versuchung manchmal groß, Sachen auf diese Ebene zu ziehen. Das gilt übrigens für einige Äußerungen der ansonsten zu Recht obsiegenden Inder gleichermaßen. Wenn einer von ihnen nach dem Verfahren sagte, den Pflanzen sei ihre Freiheit gesichert worden, hatte das nicht nur wenig mit der Sache zu tun, es wirkte sogar lächerlich – frei nach dem witzig gemeinten Spruch: "Freiheit den Gummibärchen, weg mit den Tüten."