Nr. 21 vom 27. Mai 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Hubert Weinzierl, der langjährige frühere Vorsitzende des BUND und jetzige Ehrenvorsitzende wird in seiner Verbandszeitschrift mit den Worten zitiert: "... man kann einen Baum genau so lieben wie einen Menschen." Man geht sicherlich nicht zu weit, wenn man den Eindruck hat, dass hier ein eigenartiges Verständnis von Mitmenschlichkeit erkennbar wird.

Ein solcher Vorwurf mag hart klingen, und man sollte ihn nicht leichtfertig in jedem Fall äußern, in dem Politiker oder andere der Natur ein Vorrang vor dem Menschen einräumen. Selbstverständlich kann man nicht jedem, der es mit dem Naturschutz besonders ernst meint, Defizite beim Verständnis von Mitmenschlichkeit vorwerfen. Diejenigen, die für den Schutz der Natur um ihrer selbst Willen eintreten, bewegen sich aber grundsätzlich immer in einer ähnlichen Denkwelt, zumal wenn sie dabei der Natur einen Vorrang zubilligen. Der neue schleswig-holsteinische Umweltminister, Klaus Müller, scheint auch mit diesem Gedankengut zu spielen. Jedenfalls will er eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, damit "ein Schutz der Natur auch um ihrer selbst Willen möglich ist". So war es in Pressemitteilungen seines Hauses zu lesen.

Das deutsche Grundgesetz spricht bei den Bestimmungen über den Umweltschutz von der Verantwortung für die künftigen Generationen und von den natürlichen Lebensgrundlagen, wobei nur die Lebensgrundlagen des Menschen gemeint sein können. Will Müller das Grundgesetz ändern? Auch die Agenda 21 kennt den Naturschutz nur als Schutz der Lebensgrundlagen des Menschen. Immerhin handelt es sich bei der Agenda um einen gemeinsamen Beschluss von 178 Staaten dieser Erde. Die derzeit Regierenden sollten es sich also gut überlegen, ob sie in dieser Frage einen Sonderweg einschlagen wollen, bei dem sie die erforderliche parlamentarische Mehrheit für eine Grundgesetzänderung vermutlich ohnehin nicht erreichen würden.

Empfehlen muss man ihnen, sich den Inhalt der Agenda 21 einmal näher anzusehen. In der Präambel spricht sie von den Ökosystemen, von denen "unser Wohlergehen abhängt". Es geht dort auch um die "Bewirtschaftung der Ökosysteme" und bei den biologischen Ressourcen spricht sie von einem Kapital, das ein "enormes Potential für die Erzielung nachhaltiger Gewinne in sich birgt". Pfui, biologische Vielfalt für den Profit? So wird der eine oder andere fragen. Solche Fragen haben eine Verteufelung des ökonomischen Erfolgs zum Hintergrund wie man sie wohl kaum irgendwo stärker trifft als in Deutschland.

Und wer die Kapitel 14, 15 und 16 der Agenda sorgfältig und in ihrer logischen Kette liest, sieht, dass die biologische Vielfalt, die die Agenda mit großem Ernst unter ihre Fittiche nimmt, unter anderem der Gentechnologie dienen soll. In Kapitel 14 werden die klassischen Instrumente der Landwirtschaft wie Bodenschutz, integrierte Düngung und integrierter Pflanzenschutz beschrieben. Dann kommt das Kapitel15 zur biologischen Vielfalt und in Kapitel 16 geht es dann um die Gentechnologie. Die Agenda 21 sieht in ihr sowohl bei der tierischen als auch bei der pflanzlichen Produktion ein unverzichtbares Instrument für die Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts. Und das Kapitel 15 kann man hierzu etwa so zusammen fassen: "Wir sollten möglichst jedes Gen bewahren, weil wir heute nicht wissen können, ob wir es nicht irgendwann einmal notwendig brauchen". Minister Müller will bei einer Veränderung des Bundesnaturschutzgesetzes auch das geltende Recht zur Gentechnik überarbeiten. Bevor er hierzu in die Einzelheiten geht, muss man ihm allein deswegen einen Blick in das Kapitel 16 empfehlen. Sein Vorgänger hatte dieses Kapitel offensichtlich nicht gelesen, als er gerade 1996 bei der Eröffnungsveranstaltung im Kieler Landestagsgebäude zur Agenda 21 sprach.