Nr. 22 vom 3. Juni 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Das Genkonstrukt RT73 ist seit mehreren Jahren in Kanada, USA und Japan als völlig unbedenklich akzeptiert und für die Vermarktung ohne jegliche Auflagen freigegeben. Es ist das Konstrukt einiger gentechnisch veränderter kanadischer Rapssorten, das bei uns in jüngster Zeit für erhebliche Aufregung vor allem in den Medien sorgte. Über die Sachlage konnten Sie sich in der vorigen Ausgabe des Bauernblattes gründlich informieren. Kurz zusammengefasst: In Schleswig-Holstein wurde von dem fraglichen Saatgut nichts ausgesät, in Deutschland waren es insgesamt rund 300 Hektar. Es ging auch nicht etwa um Saatgut einer kanadischen Sorte, sondern um die ganz normale europäische Sorte Hyola 401. Einige Proben wiesen jedoch aus, dass es Verunreinigungen in der Größenordnung von 0,03 % gab. Das ist weniger als ein Gramm pro Hektar besäter Fläche. Insoweit und im Hinblick auf die Tatsache, dass z.B. in Kanada über die Hälfte des gesamten Rapses aus gentechnisch veränderter Saat stammt, könnte man durchaus sagen: Es lohnt nicht, darüber zu reden.

Und dennoch war es richtig, dass es schnelle Reaktionen der Behörden und auch des Bauernverbandes gegeben hat. Und auch die Forderung der Ministerin Franzen auf verbesserte Kontrollen bei importiertem Saatgut ist nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Meinung war es wichtig, zu zeigen, dass man die Sache ernst nimmt. Den Vorschlag des Deutschen Bauernverbandes, die betreffenden 300 Hektar – größtenteils in Baden-Württemberg – nur zur Biodieselproduktion zu verwenden, kann man zwar kritisieren, da es auch im Speiseöl keine Risiken gegeben hätte; aber es wäre auch nicht hilfreich gewesen, wenn es eine zweite Pressewelle gegeben hätte nach dem Motto: "Man will uns vergiften!" Die erste Pressewelle war sicherlich dem wirklichen Risikopotential nicht angemessen. Aber wenn es etwas Negatives zu berichten gibt, schmeißt man sich eben besonders ins Zeug. Wenig Beachtung fand dagegen eine aktuelle positive Nachricht zur Gentechnologie, die meisten Zeitungen brachten sie gar nicht. In einigen Blättern gab es spärliche Hinweise, in der Frankfurter Rundschau etwas ausführlicher und in der WELT zwar knapp aber besonders klar und sachlich. Es geht um den sogenannten "Goldenen Reis". Lassen Sie uns hierzu etwas weiter ausholen. In den asiatischen Ländern, in denen Reis Hauptnahrungsmittel ist, gibt es viele Menschen, die so arm sind, dass sie sich zwar einigermaßen satt essen können, dies aber fast nur mit Reis. Da bei normalem Reis das Vitamin A beim Schälen verschwindet, sind diese Menschen mit dem Vitamin ständig unterversorgt und 500000 erblinden jährlich. Es hätte eine Meldung wert sein müssen, dass so vielen Menschen zukünftig das schlimme Schicksal der Blindheit erspart werden kann.

Für die Verwendung im südlichen und östlichen Asien schufen Wissenschaftler eine Reissorte mit vier neuen Genen, die bewirken, dass das Vitamin A erhalten bleibt. Die Sache war von der Europäischen Union und der Rockefeller Foundation gefördert worden. Der Lizenzträger, der Konzern Astra-Zeneca, erhält das Recht, die neue Saat in den reicheren Ländern normal zu vertreiben und muss dafür wegen der Fördermittel in den armen Ländern auf die Gebühren verzichten und die ärmsten Bauern sogar ganz umsonst beliefern. Wem da noch Kritik einfällt, der muss schon ein besonders hart gesottener und ignoranter Gentechnikgegner sein. Aber auch die gibt es. Eine von ihnen hat gegen den Goldenen Reis eine Schmähschrift veröffentlicht, in der unter anderem zu lesen ist, die betroffenen Menschen sollten an Stelle des neuen Reises doch Leber, Fleisch, Eigelb und Spinat essen. Das ist etwa so wirklichkeitsnah wie der Ausspruch der französischen Königin Marie-Antoinette, als man ihr sagte, das französische Volk habe nicht genug Brot zu essen. "Sollen sie doch Kuchen essen", wird die Königin zitiert. Das rechtfertigt zwar nicht, dass man ihr in der Revolution den Kopf abschlug, es erklärt aber den Zorn des Volkes.