Nr. 23 vom 10. Juni 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es ist nicht leicht, die Diskussion über Landwirtschaft und Umwelt mit Menschen zu führen, die wissenschaftlich begründete Argumente nicht akzeptieren. Unter denen, die damit immer wieder gekämpft haben, ist der langjährige Umweltsprecher des Deutschen Bauernverbandes und Präsident des Rheinischen Bauernverbandes, Rainer Latten, als einer der ersten zu nennen. Vorige Woche erhielt er für seinen unermüdlichen Einsatz eine verdiente Ehrung. Die Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel verlieh ihm den "Justus von Liebig Preis 2000". Der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Ulrich Koester sagte in seiner Laudatio, Latten habe stets wissenschaftlich argumentiert und bescheinigte ihm: "Sie waren nie ein lauter Mann, aber immer ein Mann der klaren Worte." Klare Worte fand der Preisträger denn auch in seinem Festvortrag zum Thema "Agarkulturchemie – Fortschritt oder Irrweg". Das, was auch in seiner Verleihungsurkunde stand, betonte er besonders. Die intensive Landwirtschaft und Natur und Umwelt erfolgreich miteinander zu verbinden, sei Ziel der modernen Landwirtschaft, und dieses Ziel werde immer besser erreicht. "Naturbelassen ohne Chemie" beherrsche zwar die Diskussion in der Öffentlichkeit, die wissenschaftlich begründete Landwirtschaft der Gegenwart zeige aber, dass es besser sei, z.B. 100 dt auf einem als auf zwei Hektar zu erzeugen. Der moderne Pflanzenschutz mit immer intelligenteren Mitteln sichere die Erträge, und dies sei wiederum für eine optimale Ausnutzung des Stickstoffs erforderlich.

Latten betonte, wie schwer es sei, dieses Gedankengut in der Öffentlichkeit überzubringen. Dabei sei das Hauptproblem auf der Gegenseite "nicht das Nichtwissen, sondern das Glauben zu wissen". Die Gesellschaft brauche die Landwirtschaft in vielen Bereichen – z.B. bei der Grundwasserneubildung, bei der Beseitigung von Siedlungsabfällen und natürlich bei der Sicherung der Ernährung. Sie ziehe es aber vor, über Belastungen durch Pflanzenschutz zu reden, obgleich es für die dabei zur Anwendung kommenden Grenzwerte nicht die geringste wissenschaftliche Begründung gebe. Der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm verhalte sich zu der Menge von einem Liter wie eine Sekunde zu 317 Jahren. Latten zitierte Prof. Haber mit dessen Äußerung, die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft sei die Versorgung mit Nahrungsmitteln und dies sei eine ökologische Aufgabe.

"Die Agenda 21 gibt den Auftrag, die Landnutzung zu intensivieren. Wenn über Extensivierung gesprochen wird, findet das in der Agenda keine Stütze", so Latten wörtlich. Selbstverständlich, so sagte er auch, müssten die Folgen des Pflanzenschutzeinsatzes reversibel sein und selbstverständlich gehe es um eine optimale Stickstoffausnutzung. Die auf einer "Quasi-Null-Option" beruhenden Grenzwerte setzten im Prinzip aber eine emissionslose Landwirtschaft voraus. Um so mehr grenze es fast an ein Wunder, dass auch diese überaus strengen Werte inzwischen fast gänzlich eingehalten würden. "Es ist verantwortungsloser, auf den modernen Pflanzenschutz zu verzichten als ihn zu gebrauchen," so Latten.

Die Ausführungen Lattens gipfelten in der Beantwortung der Frage: "War es falsch, die Erkenntnisse Justus von Liebigs zu nutzen?" Zur Zeit Liebigs habe es nur eine Milliarde Menschen auf der Erde gegeben, für jeden einen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Und prozentual sei das Hungerproblem größer gewesen als heute. Heute entfielen auf jeden Erdenbürger 0,25 Hektar, im Jahre 2020 würden es nur noch 0,18 ha sein und irgendwann nur 0,13 ha. Ohne eine weltweite Verbesserung der Düngung, des integrierten Pflanzenschutzes und des Einsatzes von Gentechnologie seien die daraus erwachsenden Probleme nicht zu lösen. Dies hätten inzwischen selbst die Grünen verstanden, zumindest soweit sie in der Bundesregierung Verantwortung trügen.