Nr. 39 vom 30. September 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es war zwar nicht unbedingt neu, aber für die Landwirtschaft doch eine erfreuliche Bestätigung dessen, was sie zu dem Thema Fleisch immer wieder unter die Leute zu bringen versucht. "Vegetarier leben im Durchschnitt nicht länger als ebenso gesundheitsbewusste Fleischesser", so ging es jüngst durch die Presse. Nach der Analyse zweier amerikanischer, zweier britischer und einer deutschen Studie mit insgesamt 76000 Teilnehmern hatten Vegetarier weder bei der Gesamtsterblichkeit noch bei etlichen einzelnen Todesursachen wie Schlaganfall, Magen-, Darm-, Lungen-, Prostata- oder Brustkrebs einen Vorteil.

Um so unverständlicher ist es, dass auch ansonsten seriöse Veröffentlichungen nach wie vor unsachliche Äußerungen enthalten, die letztlich jeden unserer Fleischerzeuger bares Geld kosten. Man kann es ja nachvollziehen, wenn auch nicht gut heißen, dass es Leute gibt, für die es bei der Berichterstattung ebenfalls um bares Geld geht, und für die die Schreckensmeldung lukrativer ist als die Nachricht darüber, dass dies oder das in Ordnung ist. Überhaupt nicht zu verstehen ist es allerdings, wenn eine so seriöse Organisation wie die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) sich an der Panikmache über Fleisch beteiligt. In einer Informationsbroschüre, die z.B. in Eingangshallen von Krankenhäusern ausliegt ist u.a. folgendes zu lesen: "Viele ernährungsabhängige Krankheiten ... werden ... auf einen zu hohen Fleischkonsum zurückgeführt". Nun ist "zu hoch" ein relativer Begriff und wer von uns würde sich wohl für eine einseitige Ernährung aussprechen. Zu viel Fleisch ist ebenso abzulehnen wie ein zuviel bei anderen Nahrungsmitteln. Problematisch wird es aber, wenn diese große Krankenkasse empfiehlt, den Fleischkonsum auf ein bis zwei Mahlzeiten pro Woche zu reduzieren. Mit den erwähnten Resultaten der Untersuchung an 76000 Probanden ist das mit Sicherheit nicht vereinbar. Man glaubt doch wohl nicht, dass die alle nur zweimal in der Woche Fleisch gegessen haben. Zumindest der große Anteil der Amerikaner unter ihnen wird mehrheitlich das von der DAK Vorgeschlagene entweder montags nach dem Mittagessen oder spätestens nach dem Abendessen erreicht haben.

Aber es kommt noch dicker - mit Parolen, für die die Beiträge der Krankenkassenmitglieder nun wirklich nicht vorgesehen sind. Lesen Sie selbst: "Aber nicht nur ihrer Gesundheit zuliebe, sondern auch aus sozialen Gründen sollten Sie Ihren Fleischkonsum reduzieren. Denn die Futtermittel für die Massentierhaltung werden meist aus der Dritten Welt importiert, wo die Anbauflächen den Einheimischen für ihre eigene Nahrungsmittelproduktion verloren gehen." Sie haben richtig gelesen, ein solcher Unfug wird hierzulande – finanziert mit Krankenkassenbeiträgen – unter dem Deckmantel der Gesundheitsvorsorge unter die Leute gebracht. Erstens wird das meiste Futter hier im Lande erzeugt, zweitens ist unser größter Futtermittellieferant die USA. Es folgen Brasilien und Argentinien, und deren Hauptlieferungen bestehen aus Ölpflanzen, deren Nebenprodukt im Sinne eines optimalen Recycling verfüttert wird. Das Hauptprodukt "Pflanzliches Fett" wird übrigens in derselben Broschüre – zu Recht – in den höchsten Tönen gelobt. Will die Krankenkasse etwa, dass wir das Nebenprodukt ins Meer schütten oder in den Ofen stecken? Bleibt als viertes wichtiges Lieferland Thailand, alles andere als ein Hungerland sondern einer der weltweit größten Exporteure von Reis und Ananas und nicht nur von Tapioka zu Futterzwecken. Fährt man durch die Reis-, Ananas-, und Tabakgebiete bekommt man Tapioka übrigens gar nicht zu Gesicht. Tapioka wird dort erzeugt wo für die wichtigsten Früchte des Landes die Bodenqualität oder die Wassermenge nicht ausreichen. Gäbe es auf den von der Natur benachteiligten Standorten Thailands nicht die Futtermittelproduktion für den Export, würden die meisten dort ansässigen Bauern zusätzlich in die Slums von Bangkok etc. drängen. Als Krankenkasse sollte man sich besser informieren, bevor man das Wort "sozial" zu Papier bringt.