Nr. 46 vom 18. November 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wenn bei Umfragen mehr als 30% aller Befragten sagen, Nahrung aus nicht gentechnologisch beeinflusster Erzeugung sei genfrei, braucht man sich über die Konfusion in der Diskussion um Gentechnologie nicht zu wundern. So viele Menschen sind wirklich der Überzeugung, dass ein herkömmlich erzeugter Apfel keine Gene enthält. Die Bedeutung der Gentechnologie für die Zukunft der Menschheit und die Kenntnisse darüber stehen in einem krassen Missverhältnis. In einem Land, in dem jeder vierte Schüler die Hochschulreife erwirbt, müsste es eigentlich anders aussehen. Der Kern allen Lebens müsste zum Grundwissen der Allgemeinbildung gehören.

Aber auch dort, wo eigentlich die naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse vorliegen, kann man Diskussionen erleben, die Zweifel an unseren Bildungssystemen wecken. Vielfach sind durchaus solide Biologiekenntnisse vorhanden, es fehlt aber die geistige Umsetzung bei der Bewertung von Vorgängen und Zusammenhängen. Hierzu gibt es beim Thema Klonen reihenweise Beispiele. Das Schaf Dolly hat Diskussionen ausgelöst, die oftmals nur eines dokumentierten: Die Teilnehmer hatten keine wirkliche Vorstellung von dem, worüber sie redeten. Vergleiche gab es da mit Monstern. Frankenstein wurde mehr als einmal zitiert.

Dabei ist kaum etwas so leicht zu erklären und begreifen wie der Vorgang des Klonens. Wenn ein Weidenbaum Saatkörner herausbildet und daraus eine neuer Baum entsteht, nennt man das geschlechtliche Vermehrung. Wenn man aus einem Stöckchen einen neuen Baum wachsen lässt, nennt man den zweiten Baum ein Klon des ersten, ein Ergebnis ungeschlechtlicher Vermehrung. Wir werden uns schnell darauf einigen können, dass weder das eine noch das andere spektakulär ist. Und eines darf zum Verständnis hinzu gefügt werden. Der handelnde Mensch dringt in das Erbgut des Weidenbaums in beiden Fällen gleichermaßen wenig ein, nämlich gar nicht. Diskutiert man das Klonen unter dem Oberthema Gentechnologie, bekommt man Schwierigkeiten zu begründen, weshalb; denn Veränderungen am Erbgut gibt es beim Klonen sogar weniger als bei der geschlechtlichen Vermehrung, bei der sich der junge Baum vom alten Baum immerhin genetisch unterscheidet.

Was nun ist es, das selbst betont naturwissenschaftlich denkende Menschen veranlasst, das Thema Klonen mit besondere Sorgfalt und Zurückhaltung anzugehen? Es ist das mögliche Klonen beim Menschen, aber auch hier Schritt für Schritt. Der Biochemiker Prof. Ernst-Ludwig Winnacker von der Universität München hat jüngst ein wenig provozierend aber unwiderlegbar gesagt: "Die schwierige Examensfrage, ob es beim Menschen ungeschlechtliche Vermehrung gibt, muss mit einem klaren Ja! beantwortet werden. Alles andere würden sich die ca. 6 Millionen eineiiger Zwillinge auf dieser Erde verbitten müssen." Ohne ungeschlechtliche Vermehrung gäbe es sie nicht und statt dessen 3 Millionen Duplikate von ihnen. Wenn das keine ungeschlechtliche Vermehrung ist.

Was war bei dem Schaf Dolly anders? Es war anders die Transplantation eines Zellkerns aus einer ausdifferenzierten Zelle in eine Embryozelle, die von ihrem eigenen Zellkern befreit war. Solche Versuche sind inzwischen bei Mäusen und bei Rindern wiederholt worden, und wenn man es emotionsfrei sieht: es ist zwar wissenschaftlich sensationell aber vom Ergebnis her nicht spektakulär. Das zellkernspendende Mutterschaf und Dolly verhalten sich zueinander wie eineiige Zwillinge, nur von größerem Altersunterschied. Zu der Frage, warum uns das beim Menschen so erschrecken lässt, noch einmal Winnacker: "Es ist wohl nicht der Klon an sich, der uns ja als eineiiger Zwilling immer wieder entgegen tritt, ohne dass dies besorgniserregend ist, sondern die Tatsache, dass die menschlichen Klone à la Dolly nicht mit dem Ziel ihrer selbst, sondern durch Bestimmung eines Dritten hergestellt würden."