Nr. 47 vom 25. November 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Sein Vorgänger wollte in der Agenda 21 gelesen haben, dass es dort um die Umstellung auf den ökologischen Landbau weltweit und flächendeckend bis zum Jahr 2010 geht. In dem 1992 von 178 Ländern in Rio de Janeiro verabschiedeten Dokument zur Bewältigung der Probleme des 21. Jahrhunderts, steht eine solche Aussage jedoch weder ausdrücklich noch versteckt oder verklausuliert. So wurden die eigenen Thesen einem Gremium von 178 Regierungsvertretern untergeschoben, ohne Wahrheitsgehalt. Der jetzige ebenso grüne Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein hat sich zu einer wichtigen Zukunftsfrage geäußert und dabei ebenfalls den Inhalt der Agenda 21 ganz offenbar ignoriert. Es ging im Kieler Landtag um die Zukunft der Gentechnologie in der Landwirtschaft. Hat Müller das Dokument von Rio gekannt, als er von falschen Versprechungen redete? "Wir haben Versprechungen gehört ... der Hunger in der Welt würde bekämpft", so Müller. Seine Mitarbeiter sollten ihm den Text des Kapitels 16 zu lesen geben. Da würde er sehen, dass es in Rio um die Perspektive ging, mittels Gentechnologie Kulturpflanzen mit z.B. mehr Salztoleranz, Hitzetoleranz, Kältetoleranz und besserem Stickstoffaneignungsvermögen auszustatten. In Rio ging es auch um die Perspektive, durch Veränderung von Pflanzen deren Gesundheitswert zu erhöhen, z.B. mit Vitamin A in Reiskörnern unzählige Erblindungen in Südostasien zu vermeiden. Für Müller scheinen das alles falsche Versprechungen zu sein. Müller scheint auch nicht zu sehen, dass die Erdbevölkerung sich voraussichtlich noch in etwa einmal verdoppeln wird und dass es in erster Linie um die Zukunft geht.

Die Chancen der Gentechnologie scheint es für ihn kaum zu geben, Redner beider Oppositionsparteien haben ihm das nachdrücklich vorgehalten. Dagegen sprach er von "berechtigten Ängsten". Ängste ja, aber berechtigt, was hat er damit gemeint? Sicherlich hat er Recht, wenn er eine wissenschaftlich fundierte Technikfolgenabschätzung für wichtig hält. Dabei sollte er jedoch nicht so tun, als wenn es die in Deutschland nicht gibt. Müller fordert sie erst noch, die Arbeit des Robert-Koch-Instituts scheint ihm also nicht geläufig zu sein; sie ist jedenfalls akribischer als in den meisten Ländern der Erde. In einem Punkt hat Müller sogar recht, die bisherigen gentechnisch veränderten Pflanzensorten haben keine nennenswert höheren Erträge gebracht. Müller spricht von "nicht grundsätzlich höheren Erträgen". Wenn man "grundsätzlich" sagt, hat man die womöglich doch auftauchende Ausnahme gleich mit eingebaut, ein semantischer Trick also. Die bisherigen gentechnischen Veränderungen hatten gar nicht das Ziel höherer Erträge. Schon vor Jahren hat der Deutsche Bauernverband übrigens den Grundsatz beschlossen, dass bei Umsetzung der Gentechnik Kosteneinsparung Vorrang vor Ertragssteigerung haben soll (in einem Arbeitskreis in Friedrichshafen unter dem Vorsitz unseres Präsidenten Steensen).

Es ging bisher vornehmlich um Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel mit der Perspektive, sich den Zeitpunkt des Einsatzes besser aussuchen und dadurch Mittel einsparen zu können. Bei uns reichen die winzigen Flächen für Aussagen über Praxiserfolge noch nicht aus, aus den USA aber gibt es eindeutige Erfolgsmeldungen. Bis zu 150 Dollar pro Hektar haben die Farmer gespart. Warum auch sonst hätten sie das teurere Saatgut kaufen sollen? Dem begegnet Müller mit einer Aussage, die man getrost als das Gegenteil der Wahrheit bezeichnen kann, um kräftigere Worte zu vermeiden. Er verschweigt die Erfolge und sagt: "Durch Übertragungen der Herbizidresistenz von der Ackerpflanze auf Wildkräuter musste der Spritzmitteleinsatz häufig erhöht werden". Für diese Aussage kann er bezogen auf Deutschland keine Belege haben, weil das Problem nicht aufgetreten ist. Amerika ist weit, wir wollen deshalb nicht behaupten, dass es diesen Fall vereinzelt nicht doch gegeben hat. Aber auch das würde nichts daran ändern, dass die enormen Einsparungen die Wirklichkeit sind und nicht das von Müller trickreich behauptete Gegenteil. In USA wurden schon jetzt Mengen eingespart, die der gesamten Einsatzmenge mehrerer deutscher Bundesländer entsprechen.