Nr. 49 vom 9. Dezember 2000

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Zeitschrift "Stern" hatte neulich einen auf den ersten Blick ganz großen Lösungsansatz der Zukunft beim Wickel. Unter der Überschrift "Sensationelle Entdeckung/ Sand – das Öl der Zukunft" und einem Titelbild, bei dem aus einer Hand voll Sand Öl herausquillt, wurde dem oberflächlichen Betrachter der Eindruck vermittelt, dass eine neue und unerschöpfliche Energiequelle entdeckt worden sei. Leider stimmte das Ganze aber nur auf den ersten Blick, und sensationell war eher die Fantasie der Stern-Redakteure. Wenn es im Stern heißt, Sand könnte als Brennstoff genutzt den Energiebedarf der Menschen für alle Zeiten decken, ist das Unfug. Und auch die Aussage vom Sand als "unbegrenzte Energiequelle" hat mit dem Stand der Wissenschaft wenig zu tun. Es wäre auch zu schön gewesen, denn reichlich vorhanden ist Sand wirklich, und hätte es einen der Wissenschaft bisher verborgenen Brennwert, könnten wir alle bangen Diskussionen um die Energieversorgung der Zukunft vergessen. Leider hat Sand aber auch nach dem neuesten Stand der Wissenschaft keinen Brennwert. Und so wird es weiter um Fragen wie der Sicherheit der Kernenergie, der verfügbaren Menge bei erneuerbaren Energien usw. usw. gehen, wenn über die Energieversorgung der Zukunft gesprochen wird.

Andererseits gab es zum Sand tatsächlich eine neue Entdeckung. Die Sache hat viel Ähnlichkeit mit dem Energiegehalt von Wasser und seinen Ausgangssubstanzen. Das Wasser selbst hat keinen Energiewert, ebenso wie Sand. Es ist auch - gerade deswegen - ebenso wie Sand nur schwer in seine Einzelteile zu zerlegen. Hierzu braucht man Energie. Diese Energie kann man zurückgewinnen, wenn man die Spaltprodukte wieder zusammen führt. Im Fall des Wassers ist das die Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff, bei der wieder Wasser entsteht. Das, was beim Wasser der Wasserstoff ist, ist beim Sand das Silizium. Und neu ist ein bisher unbekanntes Verfahren zur Gewinnung von Silizium. Aber auch bei diesem Verfahren, bei dem niedrigere Temperaturen als bisher zum Einsatz kommen, hat das Silizium hinterher keinen höheren Energiewert, als zu seiner Freisetzung verbraucht wurde.

Silizium ist also wie Wasserstoff ein Energieträger, oder wie man auch zu sagen pflegt, ein Brennstoff. Es ist zudem Ausgangsstoff für z.B. Silikon oder Computerchips. Bei der Produktion von Silikon gewinnt man als Nebenprodukt zudem einen flüssigen Brennstoff, das Tetramethylsilan (TMS). Es eignet sich theoretisch zum Betrieb von Motoren, die allerdings nur kurze Zeit laufen. Ein Problem gibt es nämlich im Vergleich zum Wasserstoff. Verbrennt man Wasserstoff in Motoren, entsteht (s.o.) Wasser, dass in Form von Wasserdampf über den Auspuff das System verlässt. Jetzt ahnen sie, was kommt: Verbrennt man die Spaltprodukte von Sand, entsteht (s.o.) wieder Sand, und Ihrer Fantasie überlassen wir es, sich vorzustellen, wie lange Ihr Motor das wohl aushält. Aber vielleicht gelingt es ja, Motoren zu entwickeln, die das ohne Kolbenfresser überstehen; im Gespräch sind Lösungen mit dem Werkstoff Keramik. Silizium aus Sand hätte als Vorprodukt für TMS gegenüber Wasserstoff aus Wasser tatsächlich einen Vorteil. Es ist leichter zu transportieren, vor allem gefahrfreier.

Die Leute vom "Stern", das sehen Sie jetzt, haben zwar fürchterlich überzogen, so ganz ohne Vorteile scheint die neue Entdeckung aber dennoch nicht zu sein. Und es kommt möglicherweise noch ein weiterer hinzu. Wenn man Silizium mit Sauerstoff und in Gegenwart von Luftstickstoff verbrennt, entsteht außer Sand noch Siliziumnitrid, ein Stoff aus dem vielerlei gemacht werden kann. Wenn also die Herstellung von Silizium leichter wird, gilt das auch für Siliziumnitrid. Und daraus kann man u.a. Ammoniak herstellen mit einem Verfahren, das womöglich effizienter ist als das Haber-Bosch-Verfahren. Das könnte die Herstellung von Stickstoffdüngern verbilligen und vielleicht auch die Energiebilanz der Verwendung mineralischer Düngemittel verbessern.