Nr. 6 vom 10. Februar 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Um Begriffe wie Agrarfabriken und industrialisierte Landwirtschaft hat es in jüngster Zeit lebhafte Diskussionen gegeben, die bei vielen der Beteiligten weitgehend ohne Fachwissen geführt wurde. Wir wollen die Entgleisungen von Kanzler Schröder zu diesem Thema hier nicht noch einmal aufwärmen. Aber jeder, der am vorletzten Sonnabend auf dem Rendsburger Paradeplatz dabei war, weiß, wie die Bauern über solche Klugschnacker denken. Die lautesten Buh-Rufe gab es, wenn solche Bemerkungen nach Kanzlerart fielen. Eine völlig neue Landwirtschaft und eine völlig neue Agrarpolitik müssen her, sagen hohe und höchste Politiker. Dabei sind allerdings auch schon die ersten Lernprozesse abgelaufen. Da gab es die Einschränkung, es sei keine Frage von groß oder klein. Und eine flächendeckende Umstellung auf den ökologischen Landbau halten offensichtlich auch die größten Träumer nicht mehr für möglich. Die Schätzungen für die nächsten 10 Jahre schwanken zwischen vielleicht realistischen fünf % und wahrscheinlich illusionären 20 %. Darüber liegende Schätzungen findet man nicht mehr. Wie sieht also die völlig neue Landwirtschaft aus?

Eine Senkung des Chemikalienverbrauchs macht bei den wirklichen Fabriken aus einer Fabrik noch keine Nichtfabrik. Und auch wenn Kanzler Schröders Lieblingsfabriken einmal flächendeckend das Dreiliterauto produzieren sollten, werden diese Autos weiterhin aus Autofabriken kommen. Handgefertigte Autos aus kleinen Werkstätten sind noch unrealistischer als die Vorstellung der flächendeckenden Umstellung auf den ökologischen Landbau. Bezogen auf die Landwirtschaft hatte die Verwendung des Wortes Fabrik diskriminierenden Charakter. Offen bleibt, wer absichtlich diskriminieren wollte und wer es nicht besser wusste. Offen bleibt auch, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass Autofabriken als "Rückgrat unserer Wirtschaft" hoch gelobt werden und "Agrarfabrik" zum Schimpfwort wurde. Aber lassen wir das alles einmal bei Seite. Wer sich fachlich fundiert Gedanken über die Landwirtschaft der Zukunft macht, stößt auf ganz andere Probleme. In Schleswig-Holstein haben wir zur Zeit knapp 12000 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe, wir bilden aber nur für knapp ein Drittel davon Nachwuchs aus. Wer die Klein-Groß-Diskussion so führt, wie es neulich wieder in Mode kam, hat hiervon vermutlich noch nichts gehört. Die Betriebe werden sowieso größer, unabhängig davon, ob es Politikern gefällt. Wer diese zwangsläufige Entwicklung als Problem ansieht, muss eines wissen: Er vergrößert das Problem, wenn er zusätzlich jungen Menschen den Mut zur Landwirtschaft nimmt.

Und noch ein Aspekt: Ob allen Leuten, die in jüngster Zeit von Rindfleisch auf Putenfleisch umgestellt haben, bewusst war, dass wir bei Putenfleisch schon vorher eine Eigenversorgung von nur 65 % hatten ? Jedes zusätzliche Kilo wurde importiert, genauso wie bisher schon 35 % des Gesamtverzehrs. Das einzig Positive daran war die Hoffnung auf nachhaltige Preisaufbesserung für heimische Ware. Aber der Schwenk von Rind zu Pute und damit zu mehr Import ist nur ein kleiner Teil des Problems. Jede Forderung auf Extensivierung der heimischen Produktion läuft auf eine Steigerung des Imports hinaus. Unsere Selbstversorgungsrate für Schweinefleisch liegt auch nur bei knapp 80%. Es gibt Menschen, die für Deutschland eine noch stärkere Bindung der Viehhaltung an die Fläche fordern und Schweinefleisch aus den Niederlanden essen, aus einem Land, das flächendeckend gegen die deutsche Düngeverordnung verstoßen würde, wenn die Verordnung dort Gültigkeit hätte. Schon heute sind wir mit 20 % für die Gesamtheit der Nahrungsmittel einer der größten Nettoimporteure der Welt. Es scheint Menschen zu geben, denen 20 % nicht genug sind. Wer das begreifen will, sollte sich einmal umschauen, wem mehr Importe in den Kram passen. Es sind einmal viele Verbraucher, denen der Preis nach wie vor das wichtigste Kriterium ist. Aber auch, wer selbst exportieren will, braucht wegen der Zahlungsbilanz woanders Nettoimporteure.