Nr. 27 vom 07. Juli 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Die Ministerin Ingrid Franzen sagte auf einer Tagung im Kieler Schloss, der Spruch sei von der Ministerin Renate Künast erfunden worden. "Klasse statt Masse" ist zum Kernspruch einer Diskussion geworden, die teilweise irrationale Züge trägt. Aber erfunden hat Frau Künast den Spruch nicht. Der ist mindestens 19 Jahre alt. Im März 1982 hat der damalige agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Ignaz Kiechle, ihn in einem Brief an die Fendt-Werke verwendet. Die Leute von Fendt rissen ihn ein wenig aus dem Zusammenhang und benutzten ihn in der Werbung für ihr eigenes Produkt. In der unlängst erschienenen Fendt-Chronik kann man es nachlesen.

Worum ging es Kiechle bevor er Minister wurde? Man mag über die Milchquote und ihre spätere Entwicklung denken wie man will, aber Kiechles Konzept hatte aus damaliger Sicht viel für sich. Er wollte weg von dem Mengendruck bei der Milch und dadurch den Weg zu höheren Preisen freimachen. Masse, das war für Kiechle die immer mehr ansteigende Überproduktion bei Milch. Kiechle kannte das hohe Qualitätsniveau der deutschen Milchproduktion viel zu genau, um bei dem Begriff "Masse" an mindere Qualitäten zu denken. Und "Klasse", das war für ihn die Vision von der Milch als hochpreisigem Produkt.

Frau Künast hat die Sache anders verstanden. Die Version, dass das, was 80 Mio. Menschen ernährt, die Masse von unzureichender Qualität ist, hat mit der Realität aber nichts zu tun. Und wenn sie diese "Masse" durch Produkte aus extensiverer Produktion ersetzen will, tritt an einen Teil der früheren Produktion die neue "Klasse", die dem Verbraucher aber keinen Fortschritt bringen wird, weil sie nicht besser sein wird. Interessanter ist der andere Teil, die höherer Menge importierter Nahrung. Professor Dr. Ulrich Koester hat es auf der oben erwähnten Tagung mit aller Deutlichkeit gesagt: "Bei mehr Import von Nahrungsmitteln sind die gesundheitlichen Folgen im Zweifel negativ". Bei den anwesenden Landwirten fand er für diese Äußerung und für manches andere klärende Wort reichlich Zuspruch.

Am Rande ein Wort zu der Veranstaltung selbst. Es ging um "Die Zukunft der Landwirtschaft", und es wurde nicht mit der Landwirtschaft sondern über sie gesprochen. Im Vortragsteil von 10.00 Uhr bis 15.45 waren weder Bauernverband noch Landwirtschaftskammer vertreten und überhaupt kein Praktiker. Selbst das Landwirtschaftsministerium war durch keinen seiner Fachleute, sondern nur durch einen Pressesprecher vertreten. Ministerin und Staatssekretär waren zwar anwesend, sagten aber kein Wort. Erst in der Podiumsdiskussion nach 15.45 Uhr wurde die Ministerin Franzen mit einbezogen. Aber auch da gab es für die als Gäste anwesenden Landwirte eine herbe Enttäuschung. Haben Sie schon einmal eine Podiumsdiskussion erlebt, bei der es zum Schluss keine Publikumsrunde gibt? Einmal ist eben immer das erste Mal. Wer nicht bei den Verständnisfragen zu den einzelnen Vorträgen seine Meinung losgeworden war, hatte Pech gehabt – nachhaltig!

Die Ministerpräsidentin gab am Anfang die Parole aus: "BSE führte uns allen drastisch vor Augen, dass es so nicht weitergehen konnte." Frau Simonis scheint nicht zu wissen, dass bestimmte sachlich nicht fundierte Kampagnen auch schon vor dem 24. November 2000 liefen und die Kuh aus Hörsten "benutzt" wurde. Vielleicht hat Frau Simonis aus dem Vortrag von Prof. Pudel von der Universität Göttingen gelernt, wie wenig es um wirkliche Risiken und wie sehr es um aufgebauschte Diskussionen ging. Den I-Punkt auf die Ausführungen von Pudel setzte Prof. Bonß von der Universität der Bundeswehr in München: "Bei der Risikokommunikation brauchen wir Klasse statt Masse". Ähnlich drastisch sagte es Pudel danach: "Früher verkauften die Medien Informationen, heute verkaufen sie sich selbst."