Nr. 41 vom 13. Oktober 2001

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Den Atlantik kann man nicht auf eine Anklagebank setzen, auch wenn er zur Nährstoffversorgung stärker beiträgt als alle Flüsse, die in die Nordsee münden. Beim Nordseeschutz sind sich alle Beteiligten in Deutschland darüber einig, dass die Einträge von Schadstoffen und Nährstoffen vermindert werden müssen. Auffällig ist jedoch, dass Großbritannien und Norwegen, die von allen Anrainern der Nordsee die größte Küstenlänge haben, die Nordsee gelegentlich als "nicht eutrophiert" bezeichnet haben. Schon vor sieben Jahren haben wir uns an dieser Stelle damit beschäftigt. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Stickstoff- und Phosphorgehalte der Nordsee zunehmen. Nur ist der Begriff "eutrophiert" ein relativer Begriff. Briten und Norweger verglichen die Nordsee mit dem Atlantik, in dem die Phosphat- und Stickstoffgehalte höher sind als in der Nordsee. Schon bei den Shetlandinseln werden Werte wie in Küstennähe erreicht. Diese Erkenntnis ist kein Grund, mit den Bemühungen um die Reduzierung der Einträge in die Nordsee nachzulassen. Es fällt nur auf, dass bei der unendlichen Fülle der Literatur zu diesem Thema die Verursacherrolle des Atlantiks in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt ist. Wenn es um Eutrophierung geht, gibt es populäre und unpopuläre Thesen, wobei beide richtig sein können. Die unpopulären haben nur weniger Chancen auf Verbreitung.

Wenn es neulich einer der unpopulären Erkenntnisse zur Frage der Eutrophierung gelang, dennoch weltweite Verbreitung zu finden, geschah dies nur deswegen, weil sie sehr versteckt daher kam. Es ging vordergründig um den Zusammenhang zwischen der Abholzung der Wälder und dem Rückgang der Wildlachsbestände. Wie neuere Forschungsergebnisse zeigen, spielen Überfischung, Aufstauung der Flüsse und Schadstoffanreicherung für den Rückgang der Lachse nur eine untergeordnete Rolle. Hauptursache soll der gleichzeitige Rückgang der Wälder sein. Hierzu ein Zitat aus einem amerikanischen Forschungsbericht: "Die Verflechtung der beiden so grundverschiedenen Lebensräume Wasser und Wald beginnt damit, dass die in den Oberläufen der Flüsse und Bäche abgelegten Lachseier keine direkte Sonneneinstrahlung vertragen. Sie brauchen die Schatten spendenden Bäume am Ufer, damit ihre Temperatur nicht zu stark ansteigt." Außerdem fallen in einem Wald immer wieder ganze Bäume oder dicke Äste in die Wasserläufe. An ihnen sammelt sich Sand, Geröll und weiteres Treibgut, und es entstehen geschützte Stillwasserzonen. Besonders im Winter sind die frisch geschlüpften Junglachse auf solche Zonen angewiesen.

Dies war die eine Seite der Medaille, aber auch das Folgende stammt aus dem Forschungsbericht: "Unsere Untersuchungen zeigen für jeden Ökologen überdeutlich: Der Zusammenhang zwischen der Ufervegetation eines Flusses und den Lachsen ist keine Einbahnstraße. Der beschränkende Faktor für das Pflanzenwachstum in den Wäldern der gemäßigten Klimate ist Stickstoff. Dieser Nährstoff ist für Pflanzen lebenswichtig, und jener Stickstoff, den die Lachse während der Laichsaison den Bäumen mit ihren Ausscheidungen zur Verfügung stellen, spielt eine entscheidende Rolle." Die Ufervegetation profitiert von den Lachsen. Die Biologen konnten in Flüssen, in denen die Fische laichen, eine wesentlich höhere Stickstoffversorgung der Bäume messen, als in lachsfreien Gewässern. Sitka-Fichten, so stellten sie fest, haben an Lachsgewässern eine dreifach höhere Wachstumsrate. Das wiederum steigert die Produktion von Totholz, das ins Wasser fällt und Schutzzonen für Junglachse schafft – ein Kreislauf, der sich selbst verstärkt. Ja, wir haben hier eine Eutrophierungsdiskussion mit umgekehrten Vorzeichen. Übrigens, die Lachse fressen bekanntlich am Ende ihrer Wanderung nicht mehr, sie werden dann nur noch gefressen. Den Stickstoff bringen sie aus dem Meer und den Unterläufen der Flüsse hinauf.