Nr. 50 vom 15. Dezember 2001

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

 

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

 

Logisch ?

 

Die Vorträge auf der Jahreshauptversammlung des Landesnaturschutzverbandes waren überzeugend. Wer die Landschaft zerschneidet, greift auf vielfältige Weise in die Natur ein, insbesondere durch Isolation von Lebensräumen mit ihren negativen Folgen für die Artenvielfalt. Verkehrswege sind insofern Beeinträchtigungen der Natur. Sie sind es auch durch die von ihnen ausgehenden Lärmbelästigungen. In einem der Vorträge wurde der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Höhe des Lärmpegels und der Zahl von Brutvogelgelegen deutlich. Dabei geht es nicht so sehr um kurzzeitig auftretende Lärmsituationen, sondern um den andauernden fast gleichmäßigen Lärm des Straßenverkehrs. Der wesentlich lautere tief fliegende Düsenjet ist weniger problematisch, weil man (oder Vogel) sein Geräusch nur für einen Augenblick hört.

 

Und der Transrapid wäre so gesehen sogar in doppelter Hinsicht weniger problematisch; er kommt leise, verschwindet leise und selbst in der kurzen Zeit des stärkeren Geräusches beim unmittelbaren Vorbeifahren ist er vergleichsweise leise. Am Rande der Veranstaltung wurde dies sogar thematisiert. Vielleicht hat man beim Transrapid das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Denn über die Tatsache, dass es bei ihm weder Zusammenstöße noch Auffahrunfälle geben kann, wurde seinerzeit ebenfalls kaum gesprochen. Für risikosensible Menschen hätten das eigentlich sehr harte Fakten sein müssen.

 

Aber zurück zu den Folgen der Zerschneidung. Wenn die einzelnen Teile der Landschaft zu klein werden, können viele Tiere die Mindestpopulationsgröße  nicht halten. Ob es die Inzucht ist oder gar der Zufall, der bei sehr kleinen Populationen dafür sorgen kann, dass zeitweilig nur männliche oder nur weibliche Individuen geboren werden, es gibt eine ganze Reihe solcher Konstellationen, die eine Teilpopulation so zurichten können, dass die Art in dem Bereich ausstirbt. Und dann hängt alles an der Frage, ob eine Wiederbesiedlung möglich ist, ob das zerschneidende Element schmal genug ist und damit von den Individuen der betroffenen Art noch ohne allzu große Verluste überquert werden kann. Wenn die Verlustrate 90% ist, kommen von 100 Kröten nur 10 drüben an; und rechnerisch gelingt es beim Rückmarsch gerade noch einer Kröte, heil zurückzukehren.

 

Etwas einseitig ist es, vor diesem Hintergrund auf Straßen zu verzichten. Wer z.B. den Ländlichen Raum nicht hinreichend erschließt, entleert ihn von Menschen. Und ob es erstrebenswert ist, immer mehr Menschen in den Ballungszentren zu konzentrieren, darf sicherlich bezweifelt werden. Für den Ländlichen Raum kommt hinzu, dass es auch für den Menschen so etwas wie Mindestgruppengrößen gibt, wobei es da allerdings nicht um Genetik, sondern um Infrastruktur geht, um Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung bis hin zur Feuerwehr etc.etc...

 

Nein, Straßen müssen sein. In der Praxis arbeitet man deshalb beim Straßenneubau mit sogenannten Grünbrücken. Es gab in der Veranstaltung des Landesnaturschutzverbandes den Vorschlag, Straßen zunehmend auf Stelzen zu stellen; ja, wenn die höheren Kosten nicht wären. Vielleicht aber wäre der eine oder andere Euro so besser angelegt als in Ausgleichsflächen. Aber das ist buchstäblich ein weites Feld, bei allen Beteiligten wünscht man sich hier mehr Flexibilität bis hin zu dem Modell „Vertragsnaturschutz statt Ausgleichsflächen“. Aber apropos Stelzen: Sind wir womöglich gedanklich schon wieder beim Transrapid?