Nr. 3 vom 19. Januar 2002

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

 

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

 

Logisch ?

 

Ein Mann hat seine Meinung geändert. Er war Reporter bei der Bildzeitung, Chefredakteur von Bunte, Chefredakteur der BZ und zur Zeit hat er eine wöchentliche Kolumne in der Welt am Sonntag, wo er auch jüngst seinen Sinneswandel zu Papier brachte. Franz Josef Wagner hat eingeräumt, dass er in 30 Jahren Boulevardjournalismus sich in einem wichtigen Punkt bis vor gar nicht so langer Zeit gründlich irrte. Bisher, so Wagner, habe er sich daran beteiligt, den „Katastrophentouristen“ im Leser zufrieden zu stellen. Er räumt unumwunden ein, dass er das 1987 im Stern erschienene Badewannenbild aus Genf auch gedruckt hätte, und vor einiger Zeit auch noch Bilder, wie die jüngsten Bilder von Harald Juhnke, gegen die der Schauspieler sich nicht mehr wehren konnte. Heute bezeichnet er das, was die Sternjournalisten damals taten, als mörderischen Gossenjournalismus und bescheinigt ihnen Hausfriedensbruch im „Beau Rivage“.

 

Aus Sicht der Landwirtschaft können wir nur hoffen, dass nicht nur Franz Josef Wagner seine Meinung geändert hat, sondern dass seine jüngsten Erklärungen unter Journalisten allgemein Schule machen. Gerade wir haben ganz besonders oft darunter gelitten, dass Missstände entweder übertrieben dargestellt wurden oder, was noch häufiger geschah, Vorfälle zu Missständen „gemacht“ wurden, ohne er wirklich zu sein. Dabei ging es zwar nicht um das Unglück einzelner prominenter Personen, sondern um meist erheblichen Schaden für einen ganzen Berufsstand, in der Tendenz wohl das Gleiche. Dies könnte sich bessern, wenn Wagner bei seinen Berufskollegen Gehör finden sollte.

 

Er schildert die Rolle des Katastrophenlesers, der sich am Unglück anderer quasi hochzieht so: „Im Amerikanischen gibt es den Begriff des Brain Imaging, damit ist die Zone unserer Großhirnrinde gemeint, die unentwegt Klischees abruft. Es ist unsere Vorstellung von Liebe, Geld, Macht, Ruhm und Sex. Im Prinzip ist es unser Glücksniveau. Da wir persönlich ... niemals in den Genuss eines Bentley oder Penthouses kommen, greift die Schadenfreude als Regulativ.“ Wagner sagt weiter, dass unglückliche Prominente „sich in unser Glück“ verwandeln und fügt wörtlich hinzu: „Ich dachte lange, dass so Boulevard funktioniert. Falsch, ich war ein schlechter Chefredakteur.“

 

Nein, Wagner ist nicht etwa davon abgerückt, dass Zeitungen und Illustrierte gemacht werden, um damit Geld zu verdienen, das sollte man vernünftigerweise auch nicht verlangen. Er hat vielmehr offenbar erst in jüngerer Zeit, gelernt, dass man hohe Auflagen auch anders machen kann. Er schreibt, die meistverkaufte Bunte, die er gemacht habe, sei die mit dem Exklusivfoto von Boris, Babs und ihrem Baby gewesen und die zweitbestverkaufte die mit den Bildern der Hochzeit von Corinna und Michael Schuhmacher. „Der Leser, behaupte ich einfach, liebt das Glück. Wir Journalisten das Unglück. Da der Kunde immer Recht hat, müssen wir uns ändern.“ Bleibt nur noch der hoffnungsvolle Wunsch: Sein Wort im Ohr aller seiner Kollegen! Und vielleicht ist noch ein zusätzlicher Wunsch in Richtung Wagner erlaubt: Noch besser wäre es doch, wenn der Journalist nicht vorrangig auf das Glücksgefühl seiner Leser zielt, sondern die reine Information in den Vordergrund stellt. Aber da scheint der wichtigste Unterschied zwischen Boulevard und „unserer“ regionalen Presse zu liegen. „Unsere“ Blätter machen aus Sicht des bäuerlichen Berufsstandes auch nicht alles richtig, aber sie machen eindeutig weniger falsch. Für die Landwirtschaft besonders deutlich geworden ist der Unterschied zwischen den Großen Blättern sowie dem Fernsehen einerseits und den regionalen Blättern andererseits in der schlimmsten Phase der letzten Jahrzehnte, der BSE-Krise.