Nr. 4 vom 26. Januar 2002

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

 

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

 

Logisch ?

 

Die Grüne Woche hat wieder ihre Pforten geschlossen, und die Bauern haben Berlin verlassen.  Die Messe stand stärker als jede Grüne Woche vorher im Zeichen des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes, des Tierschutzes etc. etc.. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass bei einer der Veranstaltungen offenbar keine Redezeit für die Chefin des Dachverbandes der Verbraucherzentralen in Deutschland, Frau Edda Müller, zur Verfügung stand. Einige Presseorgane nahmen dies zum Anlass, der Grünen Woche zu bescheinigen, ihr „fehle offensichtlich jedes Gefühl für das neue Verbraucher-Bewusstsein in Deutschland“. Solch Hetze war wirklich nur vor der Messe möglich, nach einem Besuch hätte wohl selbst die Frankfurter Rundschau nicht soweit  daneben gegriffen. Und selbst wenn man die besagte Einzelveranstaltung zur Eröffnung der Messe isoliert betrachtet, waren einige Schlussfolgerungen in der Presse schlicht „daneben“. Immerhin war Renate Künast unter den Rednern, und die allein war Garantin dafür, dass die neue Lehre nicht zu kurz kam.

 

 Zur Sache selbst, zum Thema Verbraucherschutz, seien drei Zitate aus dem Ernährungsbericht der Bundesregierung angebracht, dessen letzte Ausgabe unmittelbar vor Amtsantritt von Frau Künast veröffentlicht (Dezember 2000) wurde. Zu Pflanzenschutzmitteln heißt es auf S.188: „Das Zusammenwirken aller Maßnahmen hat dazu geführt und wird auch weiterhin dazu führen, dass der vorbeugende Gesundheitsschutz des Verbrauchers umfassend gewährleistet ist.“ Zu Stoffen mit pharmakologischer Wirkung lesen wir auf S. 198: „In Deutschland gaben die im Zeitraum von 1995 bis 1998 ermittelten Rückstandsbefunde keinen Hinweis auf akute Verbraucherrisiken. Akut gefährdet waren beispielsweise Verbraucher in Italien...“, und zur kanzerogenen Wirkung auf S. 208: „Kanzerogene Wirkungen sind bei Pflanzenschutz- und Tierarzneimitteln im Gegensatz zu manchen natürlichen Pflanzeninhaltsstoffen auszuschließen, da beide Substanzklassen vor der amtlichen Zulassung hinsichtlich dieser und anderer Effekte gründlich untersucht worden sind. Nur als unbedenklich erkannte Stoffe werden zur Verwendung zugelassen.“

 

So ganz schlecht scheint es um den Verbraucherschutz also auch ohne die Ministerin Künast und ohne die Rede von Edda Müller nicht bestellt gewesen zu sein. Und schaut man sich den Austragungsort Berlin an, gibt es da eigentlich ganz andere Defizite. Ein solches Defizit offenbarte jüngst ein hochrangiger Vertreter der Berliner Umweltverwaltung. Er referierte über die nach seiner Meinung zu hohe Belastung der Berliner Luft mit Ammonium bzw. Ammoniak. Man habe festgestellt, dass 85% davon aus der Landwirtschaft kämen. Wie er das wohl festgestellt hat? Die Zahlengleichheit deutet eher darauf hin, dass es nicht um eine Feststellung in Berlin geht, sondern um eine Zahl aus einem vor vielen Jahren in Bonn veröffentlichten Gutachten. Die Zahl stimmte damals schon nicht. Der Berliner Umweltbehörde scheint nicht geläufig zu sein, dass vier Millionen Menschen bzw. – mit Verlaub – deren Ausscheidungen bei diesem Thema stärker zu Buche schlagen als die gesamte Schweinehaltung der neuen Bundesländer. Insbesondere scheint es ihnen auch nicht geläufig zu sein, das die Ausscheidungen der Schweine und Rinder bis auf die viel zitierten Verluste zu Düngezwecken im Boden landen, was man im anderen Falle kaum behaupten kann. Wir wollen den Berliner Bürgern wirklich nicht zu nahe treten, und niemand will, dass die Verhältnisse in Berlin mit den Maßstäben gemessen werden, die im Düngemittelrecht gelten; aber bekannt sein sollte das Phänomen der Berliner Umweltbehörde schon. Wenn selbsternannte ehrenamtliche Umweltschützer unberechtigte Vorwürfe gegen die Landwirtschaft erheben, wird man das hinnehmen müssen. Wenn solcher Unfug aber in Form hoher Beamtengehälter mit unseren Steuermitteln finanziert wird, geht das schlicht zu weit.