Nr. 7 vom 16. Februar 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

"Schleswig-Holstein – Land der Horizonte", so heißt eine neu erschienene Druckschrift, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung herausgegeben wird. Auf der ersten Innenseite ist deutlich gesagt, dass die Druckschrift nicht "in einer Weise verwendet" werden darf, die "als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte." Eines ist sicher, für die Landwirtschaft besteht dieses Risiko nicht. Die Gefahr, dass eine Verwendung der Schrift durch die Landwirtschaft als Parteinahme zu ihren Gunsten verwendet werden könnte, ist denkbar gering. Denn in dieser fast 60 Seiten umfassenden Schrift kommt die Landwirtschaft praktisch nicht vor. Der Wirtschaftszweig, der dem Land als Kulturlandschaft wie kein zweiter sein Gepräge gibt, existiert für die Kieler Landesregierung nur am äußersten Rand.

Auf Seite 13 heißt es, dass die Agrarstruktur modernisiert wird. Immerhin 17 Worte gibt es dann auf Seite 15: "Landwirtschaft und Ernährungsindustrie sind nach wie vor wichtige Branchen. Sie produzieren auf hohem technologischem und qualitativem Niveau." Dann erfährt man auf Seite 17 noch, dass die Landwirtschaft Rückgänge zu verzeichnen hat und auf Seite 18, dass die Landwirtschaft 14200 Beschäftigte hat, übrigens der einzige Hinweis auf Landwirtschaft, der so etwas Ähnliches wie Substanz hat, der aber leider nicht einmal in der Größenordnung stimmt; tatsächlich waren es 1999 laut Agrarreport des Ministeriums für Ländliche Räume 53600 "in der Landwirtschaft Beschäftigte" bzw. 25000 AKE. Und schließlich findet sich auf Seite 28 nochmals ein Hinweis auf die Modernisierung der Agrarwirtschaft, auch hier allerdings ohne irgendwelchen Inhalt, nur Sprüche also. Gemessen daran, kommt die Bioenergie gut weg. Für die Bioenergie aus Holz, Gülle und Stroh wurde redaktionell mehr Platz bereit gestellt, als für die eigentliche Landwirtschaft mit ihren klassischen Aufgaben, insbesondere der Ernährungssicherung.

Unter Tourismus findet man dann noch einen Hinweis auf das Stichwort "Erlebnisbauernhof" sowie ein Bild eines Heuhotels und einige Seiten weiter auf ein Programm zum Vertragsnaturschutz, dass "eine extensive landwirtschaftliche Nutzung sowie Flächenstilllegungen" ermöglicht. Im Vorwort schwärmt die Ministerpräsidentin von der intakten Naturlandschaft Schleswig-Holsteins, wo es die wohl gibt? Es ist alles reichlich oberflächlich, und da stört es auch schon fast gar nicht mehr, dass man auf Seite 7 erfährt, das Jahr 1460 sei das Geburtsjahr Schleswig-Holsteins, während zwei Seiten weiter zutreffend darauf hingewiesen wird, dass 1386 die Vereinigung von Schleswig und Holstein stattfand. Bleibt nur die Frage, weshalb die Vorgänger – u.a. der Großvater und ein Onkel Christians I - als Herren über Schleswig und Holstein ein Land regierten, das noch nicht geboren war.

Fünf Sprachen werden in Schleswig-Holstein traditionell gesprochen. Der Landeskenner meint damit Hochdeutsch, Plattdeutsch, Hochdänisch, Plattdänisch und Friesisch. Anders in der Broschüre: Es wird zwar nach Hochdeutsch und Niederdeutsch unterschieden; die beiden Möglichkeiten, Dänisch zu sprechen, werden aber mit einem Begriff zusammengefasst: als fünfte Sprache bekommt man dafür – sozusagen als Ersatz für das Plattdänische - "Romanes" angeboten. Das zeugt von ähnlicher Akribie in Fragen der Gewichtung wie die Erwähnung der Olympiade 1972 bei den geschichtlich wichtigsten Ereignissen und der Verzicht auf das gleiche Ereignis im Jahr 1936. Zu den 15 wichtigsten Geschichtsereignissen unserer Heimat seit 1386 gehört für die Autoren der Druckschrift nicht nur die zweite Olympiade und die bereits erwähnte Vereinigung von Schleswig und Holstein, sondern als letztes großes Ereignis die Wahl von Heide Simonis zur Ministerpräsidentin im Jahr 1993, nach dem Motto: "Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr".