Nr. 26 vom 29. Juni 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Wie das Wort es sagt, Nahrung hat etwas mit Ernährung zu tun. Dafür ist in Zeiten, in denen hier zu Lande nur noch wenige ältere Menschen Hunger am eigenen Leibe verspürt haben, niemand zu begeistern, das wird als selbstverständlich angenommen. Interessant sind nach etlichen Jahrzehnten sicherer Versorgung mit Nahrungsgütern nur besondere Wirkungen. Links und rechts des goldenen Mittelweges der ständigen Verfügbarkeit aller Nahrungsmittel, gibt es zwei verschiedene Typen von Sonderwirkungen. Das eine sind die angeblich überall lauernden Gefahren, die auch im jüngsten Lebensmittelskandal sich als objektiv gesehen gering oder nicht vorhanden erwiesen haben. Belastungen in Höhe irgendwelcher Grenzwerte sind nicht gleich gefährlich, da sind sehr hohe Sicherheitsschwellen davor.

Auf der anderen Seite des goldenen Mittelweges gibt es die eher positiv diskutierte Art von Sonderwirkungen, von speziellen Heil- oder Schutzwirkungen. Dafür interessieren sich die Menschen auch, ebenso wie für die Kassandra-Meldungen. Jüngst gab es eine Tagung, auf der der Gedanke erörtert wurde, den Fremdenverkehr in einer unserer schönsten Gegenden zusätzlich durch Aussagen über gesundheitliche Vorteile zu fördern. Bei dem auf solchen Tagungen unvermeidbaren Zettelspielchen tauchte dann auch die These auf: Kohl hilft gegen Krebs! Ja, solche Wirkungen sind in der wissenschaftlichen Literatur tatsächlich zu finden. Und die Anbauer und Vermarkter von Kohl werben auch gerne damit. Gleichwohl ist das keine Aufforderung zur einseitigen Ernährung mit großen Mengen Kohl. Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören Weißkohl, Brokkoli und Co. zusammen mit allem, was es sonst noch gibt, in vernünftigen Mengen, und in diesen Mengen entfalten sie auch ihre speziellen Wirkungen. Eine davon soll nachfolgend beschrieben werden:

Angeblich gehen 90% aller akuten und chronischen Magenschleimhautentzündungen auf einen bestimmten Keim zurück, auf Heliobacter pylori. Und da Magenschleimhautentzündungen auch bösartig werden können, ist es nicht abwegig, insoweit eine Verbindung zu dem Keim herzustellen. Wissenschaftler der Universität in Baltimore fanden heraus, dass ein Wirkstoff im Brokkoli diesen Keim abtötet. Der Wirkstoff heißt Sulphoraphan, und er soll sogar Heliobacter-Stämme vernichten, die gegen gängige Antibiotika Resistenzen gebildet haben. Das klingt recht spektakulär, ist aber normal. In der Medizin ist es üblich, bei Versagen eines Stoffes mit antibiotischer Wirkung einen anderen zu nehmen.

Die Sache mit der heilkräftigen Wirkung des Brokkoli ist relativ neu. Es ist aber nur eines von vielen Beispielen. Ein geradezu alter Hut ist die Tatsache, dass Knoblauch Herz und Gefäße schützt. Er hat auch eine antibakterielle Wirkung. Wie das zusammenhängt, wurde vor gar nicht so langer Zeit ebenfalls gründlich erforscht. Der Wirkstoff heißt Allicin und hat die erfreuliche Eigenschaft, schädliche Kolibakterien anzugreifen und erwünschte Bewohner des Verdauungstraktes wie z.B. Milchsäurebakterien zu verschonen. Bei diesen positiven Wirkungen diverser Nahrungsmittel haben wir einen großen Vorteil. Wir brauchen nicht auf die Wissenschaft zu warten, die sie für uns entdeckt. Wer von allem ausgewogene Mengen ißt, macht grundsätzlich alles richtig, auch wenn er nicht immer im Detail weiß, warum das so ist; womit wir nach einem Ausflug in die Wissenschaft wieder bei einer der ältesten aller Ernährungsregeln angelangt wären.