Nr. 31 vom 3. August 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

"Keine Probleme für die ansässige Bevölkerung", mit dieser Parole versuchten die Befürworter den Skeptikern an der schleswig-holsteinischen Westküste die Ausweisung als Weltnaturerbe oder auch als Weltkulturerbe der UNESCO schmackhaft zu machen. Ob die Sache wirklich vom Tisch ist, darf wohl bezweifelt werden. Für Menschen, deren Milch aus dem Supermarkt und deren laufender Geldzugang von irgendeinem Besoldungsamt oder auch vom Sozialamt kommt, zählen Argumente, die mit Finanzen, Wirtschaft etc. zu tun haben, nicht viel. Man kann mit einem Blinden ebenso über die Farben eines bestimmten Bildes sprechen.

Nicht nur in Wismar und Stralsund ist inzwischen nach dem Jubel über die Aufnahme ins Weltkulturerbe Ernüchterung eingetreten. Ende Juni hatte das UNESCO-Komitee in Budapest den beiden Städten die Anerkennung zukommen lassen und auch dem Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz. Das war auch den Nordfriesen und Dithmarschern klar: Eine Anerkennung als Welterbe mag Prestigegewinn bringen, um so größer ist aber der Prestigeverlust bei einer eventuellen späteren Aberkennung. Und die droht jetzt dem Mittelrheintal. Zum Abschied in Budapest soll einer der UNESCO-Gutachter der deutschen Delegation zugeraunt haben: "Denken Sie daran, wir lesen auch Zeitungen."

Es geht um neue Brücken über den Rhein, einige wollen sie vehement. Andere sind der Meinung, die alten Fähren reichen auch. Am meisten Aussichten auf Verwirklichung hat eine Brücke zwischen Bingen und Rüdesheim, 1945 wurde die damals vorhandene Brücke von den deutschen Truppen gesprengt. Als Argument gegenüber der UNESCO hätte der Hinweis auf eine früher dort vorhandene Brücke Gewicht. Chancenlos soll eine neue Brücke weiter flußabwärts im Bereich der Loreley sein, obgleich sie von besonders vielen gefordert wird. Bezeichnend ist immerhin, wie sehr man bei Planungen auf die Gutachter schielt. Potsdam zum Beispiel hat bereits wegen angeblicher Unbotmäßigkeit eine öffentliche Anprangerung hinter sich.

Was nun hatten die UNESCO-Leute in der Zeitung gelesen? Man nimmt an, dass es hier um einen besonders eklatanten Fall rheinischer Schlitzohrigkeit geht. Es gibt nämlich Brückengegner auch außerhalb der UNESCO in der Region selbst. Sie argumentieren mit den Kosten, wobei sie die Wartezeiten an den Fähren nicht in Geld bewerten. Es heißt - von Spöttern verbreitet - , dass die fünf Fähren in dem Abschnitt mit dem Geld für eine neue Brücke 200 Jahre fast kostenlos fahren könnten.

Ob das stimmt, lassen wir einmal dahin stehen. Aber einer dieser Leute hatte die Vorsichtsbarriere zwischen seinem Schlitzohr und seiner Zunge nicht beachtet, und das Ergebnis dieser Unachtsamkeit war zu allem Überfluß auch noch in der Presse gelandet: "Wir lassen einen weltberühmten Architekten ran, der macht uns einen tollen Entwurf, der sogar Gnade vor den strengen Herren der UNESCO findet. Und dadurch wird die Sache so teuer, dass niemand sie bezahlen kann. Aber bloß nicht darüber reden." Nun hat er aber doch geredet, und dass die Gutachter sich nicht zum Instrument schlauer Rheinländer machen lassen wollen, dafür muss man Verständnis haben. Wir können daraus nur eines lernen, zum Instrument schlauer Schleswig-Holsteiner würden sie sich ebenso wenig machen lassen, und - sie lesen Zeitung.