Nr. 39 vom 28. September 2002

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Für denjenigen, der, ganz im Sinne der Agenda 21, auf die vermehrte Nutzung nach-
wachsender Rohstoffe setzt, ist die häufig mangelnde Konkurrenzkraft gegenüber fossilen Rohstoffen ein Ärgernis. Wie oft wurde schon diskutiert, dass wir ein reiches Land sein müssen, wenn es sich nicht lohnt, Brennstoff dadurch zu gewinnen, dass man Wälder ordnungsgemäß pflegt. Energie und Rohstoffe für andere Nutzungen liegen nur so herum und werden nicht genutzt. Dies ist allerdings kein ausschließliches Phänomen reicher Länder. Auf der Weltkonferenz in Johannesburg kam auch dieses Thema auf den Tisch. Weltweit verrotten z. B. jährlich eine Milliarde Tonnen Bananenstängel und -stiele auf den Plantagen. Japanische Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass damit die Hälfte des derzeit in der ganzen Welt benötigten Papiers hergestellt werden könnte. Eine Milliarde Tonnen sind wirklich eine große Menge. Wenn die nachwachsende Biomasse in unseren Wäldern in der Größenordnung von drei bis vier Tonnen pro Hektar und Jahr liegt, entspricht diese Menge einer Waldfläche von 300 Millionen Hektar, mehr als der zehnfachen Fläche Deutschlands.

Nun braucht man für dieselbe Menge Biomasse bei Bananen weniger Fläche. In einigen Ländern liegen die Trockenmasseerträge im Bananenanbau bei einem vielfachen unserer Erträge im Getreidebau und bei einem mehr als zehnfachen des Zuwachses unserer Wälder. Von den kanarischen Inseln sind bei einer Beregnungsmenge von jährlich über 5000 mm Trockenmasseerträge von 60 Tonnen pro Hektar berichtet worden. Dass es bei der dortigen Beregnung nicht nur um sauberes Wasser aus den Bergen, sondern auch um ungeklärte Abwässer geht, ist für denjenigen, der ohnehin lieber heimisches Obst isst, ein Grund mehr, bei seiner bisherigen Linie zu bleiben. So oder so handelt es sich um ein riesiges Rohstoffpotenzial. Man sollte meinen, dass in den ärmsten Bananenerzeugerländern die Menschen so arm sind, dass sie auch von den Bananenabfällen nichts umkommen lassen. Das ist aber erstaunlicherweise nicht so. Selbst in dem ärmsten Bananen exportierenden Land in Mittelamerika, der Insel Haiti, steckt die systematische Nutzung von Bananenabfällen noch in den Kinderschuhen.

Dort, und das war die gute Botschaft von Johannesburg, beginnt man jetzt mit dem Aufbau einer Papierindustrie auf Bananengrundlage. Ob es für uns eine gute Nachricht ist, dass dadurch das Papier wesentlich billiger werden soll, ist eine andere Sache. In den armen Ländern gehört zu den vielen Gründen des meist schlechteren Bildungswesens die Knappheit von Schreibpapier. In Johannesburg wurde ernstlich die These vertreten, dass auf Haiti durch das billigere Papier neue Chancen zur Verbesserung auch des Bildungswesens entstehen. Wahrscheinlich ist es aber eher die Stärkung der Wirtschaftskraft, die dieses arme Land voranbringen könnte. Langfristig hilft das auch unserer Landwirtschaft. Hierzu ein Zitat aus dem Buch von Prof. Franz Josef Radermacher, der solche Gedanken in der vorigen Woche auch auf dem Rendsburger Bauerntag vertrat: "Wenn eine vernünftige Weltentwicklung bis 2050 und darüber hinaus gelingt, dann werden statt heute sechs Milliarden neun bis zehn Milliarden Menschen ernährt werden müssen. Vom Volumenzuwachs noch gravierender wird aber sein, dass statt 1,25 Milliarden dann eher drei Milliarden Menschen als Teil eines gut situierten weltweiten Mittelstandes auf einem hohen Konsum- und damit Ernährungsniveau leben werden." Mit diesem erfreulichen Zukunftsaspekt haben wir bereits Mit diesem erfreulichen Aspekt haben wir bereits Erfahrungen. Wenn die Chinesen in jüngerer Zeit gelegentlich auf dem Weltmarkt Getreide kauften, wäre dies vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Wirtschaftswachstum hat dort Kaufkraft geschaffen.