Logisch?

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg Nr. 4 vom 25. Januar 2003

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Als sie vor zwei Jahren die Agrarwende propagierte, verband Renate Künast diese Ankündigung mit der Parole: 20% Ökologischer Landbau im Jahre 2010. Dieses Ziel hat sie umformuliert: 20% Ökologischer Landbau in 10 Jahren sagte sie Ende 2002, erwartetes Eintreffen also verschoben auf 2012. Und aus heutiger Sicht wird daraus 2013, eine Forderung mit zeitloser Eintreffenswahrscheinlichkeit, nicht dumm gemacht. Wenn sie vor zwei Wochen die WELT am SONNTAG gelesen hat, wird sie sich über die Schlagzeile "Das Ende der Wende" geärgert haben. Das Blatt rechnet ihr die Millionen vor, die sie in dieses Vorhaben gesteckt hat und was daraus geworden ist. Gerade den deutschen Ökobauern trat sie massiv gegen das Schienbein, ihnen ging es noch nie so schlecht wie unter der grünen Ministerin. Und gerade sie haben nicht verstehen können, wieso die Ministerin ausgerechnet mit dem größten Discounter zuerst sprach, als es um die Durchsetzung ihres neuen Siegels ging.

In diesem Punkt, der Einstellung zum Lebensmittelhandel, hat Künast inzwischen dazu gelernt. Sie will gegen Dumpingangebote im Lebensmittelhandel vorgehen, und damit macht sie etwas, worauf wir schon lange gewartet haben. Sie will denen das Handwerk legen, die mit Aktionen unter Einstandspreis ständig am Preisgefüge rütteln. "Damit hilft sie uns", so Otto-Dietrich Steensen, als auf der Grünen Woche darüber gesprochen wurde. Es geht aber nicht nur darum, ob Lebensmittel unter Einstandspreis verkauft werden. Schlimm ist, dass die Einstandspreise selbst zu niedrig sind und immer mehr Bauern in Deutschland nicht mehr kostendeckend produzieren können. Es mehren sich Anzeichen, dass ein Unternehmen die Preisführerschaft übernommen hat, die Führerschaft einer Spirale nach unten, einer Spirale in den wirtschaftlichen Abgrund der Bauern und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen im Handel. Hoffen wir, dass Frau Künast auch diese andere Seite der Medaille sieht, wobei keiner genau weiß, welches die Vorderseite und welches die Rückseite ist.

Zur Agrarwende hat sie jetzt auch eine klare Analyse des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) vorliegen: "Die Agrarwende verlor an Dynamik. Die Themen der Zeit sind Konjunkturkrise, Arbeitslosigkeit, Kriegsgefahr in Nahost und Angst vor Terror. Alles zusammen keine Indikatoren für die Fortsetzung des Umsatzbooms"... mit ökologischen Produkten. Präsident Sonnleitner hat es noch etwas prägnanter ausgedrückt: "Der Verbraucher braucht die Agrarwende offenbar nicht. Wir werden von den Discountern eines Besseren belehrt".

Die Auseinandersetzung mit diesen Discountern, das ist für die Bauern das Thema der Stunde. "Die Kartellbehörden schreiten ein, wenn zwei mittelgroße Schlachtunternehmen fusionieren wollen. Wenn heute aber 80% aller Lebensmittel in ganz Deutschland von sieben Firmen vertrieben werden und mehr als ein Drittel von der größten unter ihnen, messen die Kartellbehörden mit zweierlei Maß. So mancher fragt sich, ob es noch mit rechten Dingen zugeht, dass der Staat hier nicht längst eingeschritten ist. Im Kampf gegen Dumping mit Lebensmitteln kann Frau Künast sicher sein, die Bauern auf ihrer Seite zu haben. Und die Bauern sind auch zu demonstrativen Maßnahmen bereit, um dem schnöden Umgang mit Lebensmitteln ein Ende zu machen. Der Bauernverband ist dazu fest entschlossen und er erhofft sich auch vom mittelständischen Einzelhandel Unterstützung, denn auch gegen ihn ist die Spirale gerichtet, gegen ihn sogar als Hauptzweck." So hat es Claus Ehlers in einem Leserbrief formuliert. Und Präsident Steensen hat die Grüne Woche, auf der bekanntlich alle vertreten sind, dazu benutzt, dem Einzelhandel deutlich zu machen, wie wichtig der Landwirtschaft das Ende und die Umkehr der Preisspirale sind. Steensen und Sonnleitner haben diese Aufgabe beide ganz nach vorn gestellt.