Nr. 23 vom 7. Juni 2003

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp vom Bauernverband Schleswig-Holstein

Logisch ?

Die Agenda 21 formuliert als Ziel für das 21. Jahrhundert die Intensivierung der Landwirtschaft. Dennoch gibt es gute Gründe, in gewissem Umfang auch eine Extensivierung zu betreiben. Denn auch dies lässt sich aus der Agenda 21 herleiten, indem das Kapitel 15 eine Erhaltung der biologischen Vielfalt fordert und beschreibt. Unter den Pflanzenarten, die es weltweit zu erhalten gilt, sind nicht wenige, die die Biologen als "Hungerkünstler" bezeichnen. Mit einer pflanzenbaulich optimalen Versorgung an Nährstoffen lassen sich diese Hungerkünstler oftmals nicht erhalten. Man muss also "extensivieren". Gefördert wird die biologische Vielfalt auch durch eine weitere Fruchtfolge. Auch dies ist im ökonomischen Sinne eine Extensivierung, weil sich die modernen Fruchtfolgen schlicht "besser rechnen". Man muss eben beides mit Augenmaß betreiben: die Intensivierung, soweit die wachsende Menschheit sie erfordert und sie betriebswirtschaftlich geboten ist; die Extensivierung, wo sie ökonomisch vertretbar und in Hinblick auf Kapitel 15 geboten ist.

Wenig sinnvoll ist es allerdings, extensiveren Produktionsformen eine höhere Produktivität andichten zu wollen. Dies wird zwar immer wieder versucht, geht aber in die Irre. Ein Versuch dieser Art fand sich jüngst in einer Veröffentlichung der aid, die sich ansonsten meist einer objektiven und wissenschaftlich fundierten Berichterstattung befleißigt. Die aid bezeichnete es als nachhaltig, auf chemischen Pflanzenschutz zu verzichten und dies aus Gründen der Energieeinsparung. Wir wollen hier nicht nachprüfen, ob es stimmt, dass pro Kilogramm Pflanzenschutzwirkstoff mehr als 6 l Heizöl gebraucht werden. Aber selbst, wenn es so wäre, ist dies für sich allein noch kein Zeichen von Nachhaltigkeit. Prof. Dr. Alexander Verreet aus Kiel hat jüngst in einer Podiumsdiskussion deutlich gesagt, ohne chemischen Pflanzenschutz gebe es auf Erden 40 % weniger pflanzliche Produkte. Das passt ungefähr auch für Deutschland, wenn man die Erträge des ökologischen Landbaus mit denen aus dem konventionellen Landbau vergleicht.

Nehmen wir für eine Bewertung der aid-Zahlen den Taschenrechner zur Hand. Bei 30.000 t Pflanzenschutz in Deutschland und unterstellt, dass die o. a. 6 l stimmen, wären das rund 200.000 t Heizöl. Energetisch entspricht das etwa 500.000 t pflanzlicher Trockenmasse. Es gibt in Deutschland 17 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche, und 500.000 t Trockenmasse entsprechen damit einem nötigen Mehrertrag für den Energie-Aufwand durch Pflanzenschutz in Höhe von 0,03 t/ ha oder 0,3 dt/ ha. Tatsächlich liegt der Mehrertrag mit chemischem Pflanzenschutz allerdings weder bei 0,3 dt, noch bei 3 dt. Er liegt eher in der Größenordnung von 30 dt. Sie sehen: Irrtum mit Faktor 100, oder ... die aid ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie ist hier - wie andere auch - einem Denkfehler aufgesessen, indem sie Energieeinsparung mit Energiebilanz verwechselt. Ginge es nach der aid, hätte nämlich die absolut extensive Wiese ohne jede Düngung, die ja weniger Energie verbraucht als Ackerbau ohne Pflanzenschutz, die noch günstigere energetische Bewertung; und der Sand an der Westflanke von Amrum wäre sowieso unschlagbar. Oder zum besseren Verständnis ein Beispiel aus der Ökonomie: wenn es nur auf geringen Aufwand und nicht auch auf die Höhe des Ertrages ankäme, hätte der Produzent kleiner Plastikautos einen höheren Deckungsbeitrag pro Stück als VW.