Nr. 34 vom 23. August 2003

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Auf einer Veranstaltung im Rendsburger Conventgarten hat Prof. Dr. Alexander Vereet es auf den Punkt gebracht: "Ohne chemischen Pflanzenschutz hätten wir 40 % weniger Erntegut auf Erden." Was das bedeuten würde für die Welternährung, kann sich jeder selbst ausrechnen. Und Gedankenspiele mit verringertem Gemüse- oder Fleischverbrauch und höherem Verbrauch an Gütern mit geringem Flächenbedarf helfen da überhaupt nicht weiter. 40 % weniger Erntegut auf Erden wäre einer der größten denkbaren Katastrophen überhaupt. Hunger und einseitige Ernährung schlimmsten Ausmaßes wären die Folgen. Landwirtschaft, Agrarforschung und Ernährungswirtschaft haben es geschafft, dass sich die Zahl der hungernden Menschen in den zurückliegenden 30 Jahren von über 900 Millionen auf unter 800 Millionen verringert hat. Auch wenn 790 Millionen hungernde Menschen immer noch 790 Millionen zuviel sind, steckt hinter den genannten Zahlen ein gewaltiger Fortschritt.

Lange Zeit gab es nur eine relative Abnahme der Hungernden. Das heißt, die Zahl der Hungernden stieg, ihr prozentualer Anteil an der Weltbevölkerung nahm jedoch ab, weil die Weltbevölkerung schneller stieg, als die Zahl der Hungernden. In dieser Zeit gab es viele, die sagten, mit der grünen Revolution, wie sie genannt wurde, sei damit nichts erreicht. Für Klarheit sorgte John Rawls von der Oxford-Universität. Er sagte, die beste Art zu entscheiden, ob wir uns an absolute oder relative Zahlen halten sollten, setze eine für die moralische Bewertung dieses Problems ideale Entscheidungssituation voraus. Das Problem müsse man vom Standpunkt eines Individuums sehen, das sich einerseits entscheiden soll, in welcher Gesellschaft es leben will und das andererseits seine eigene, zukünftige gesellschaftliche Position nicht kennt. Rawls nannte hierfür zwei Beispielsfälle. Das Beispiel A meinte eine Welt, bei der bei einer Bevölkerung von 1 Million Menschen 500.000 verhungern. Die Welt B hatte eine Bevölkerung von 2 Millionen Menschen und in ihr verhungerten 750.000. Für Rawls und für viele andere war klar, dass die Gesellschaft B die bessere ist. Denn das Risiko des Einzelnen zu verhungern, liege hier bei 37,5 % und in der Gesellschaft A bei 50 %. Einem Kritiker, der ihm vorhielt, 750.000 seien nun einmal mehr als 500.000 hielt er eine noch andere Welt entgegen, nämlich die, in der von 500.000 499.999 verhungern. Damit hatte er seine Kritiker zur Ruhe.

Solche gedanklichen Spielchen gibt es heute nicht mehr, weil, wie gesagt, seit Jahrzehnten bei der Zahl der Hungernden nicht nur die relativen, sondern auch die absoluten Zahlen abnehmen. Nur eines geht nicht: dieses zu begrüßen und gleichzeitig Methoden der modernen Landwirtschaft abzulehnen. Es geht nicht einmal isoliert für einzelne Länder, auch wenn es sich dabei um Länder mit einer reichlichen Nahrungsversorgung handelt. Björn Lomborg hat es aus einer dänischen Untersuchung abgeleitet. Ein Verbot des chemischen Pflanzenschutzes würde das Gemüse knapper und teuer machen und damit die Zahl der Krebstoten erhöhen, während die unmittelbar "lebensrettende" Wirkung des Verbots weniger als 0,5 Menschen betraf!? Lomborg hat es dann für die USA hochgerechnet. Wenn in den USA der Einsatz des chemischen Pflanzenschutzes verboten, in anderen Ländern aber zugelassen bliebe, und gleichzeitig in die USA frei importiert werden dürfte, gäbe es jährlich maximal 20 Tote (wohlgemerkt: hochgerechnet aus 0,..) weniger wegen der unmittelbaren Wirkung des Pflanzenschutzes. Andererseits würden in den USA 26000 Menschen wegen schlechterer Ernährung zusätzlich an Krebs sterben und es würde zu Lasten des Naturschutzes mehr Land unter den Pflug genommen.