Nr. 36 vom 6. September 2003

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor: Dr. Hans Peter Stamp

Logisch ?

Die Initiative der Landesregierung, eine dritte Tranche von FFH-Gebieten und Gebieten nach EU-Vogelschutzrichtlinie zu melden, hat Aufregung erzeugt. Sollte doch eigentlich nach der zweiten Tranche Schluss sein. Jetzt hat man sich aufgrund des angeblichen Drucks aus Brüssel entschlossen, weitere Meldungen abzugeben. Gemeldet werden soll u. a. ein Grabensystem, dass es nicht mehr gibt, weil es vor vielen Jahren unter Zuhilfenahme staatlicher Förderung planiert wurde. Gemeldet werden soll ein Moor, das kein Moor ist, weil es schon vor Jahrzehnten im Rahmen eines staatlichen Programms in Siedlungsland umgewandelt wurde.... In einer Broschüre der Landesregierung ist davon die Rede, dass nach Auffassung der Europäischen Union wichtige Schutzgebiete fehlen, und wörtlich heißt es dann: "Schleswig-Holstein legt deshalb noch einmal nach". Begründet wird die Aktion auch damit, dass bestimmte EU-Fördermittel ansonsten nicht ausreichend genutzt werden könnten. Aus der Feder einer Landesregierung, die schon so viele EU- und Bundesmittel hat verfallen lassen, klingt das etwas merkwürdig. Aber hierzu heißt es dann wörtlich: "Demzufolge ist eine abschließende Meldung für die wirtschaftliche Entwicklung Schleswig-Holsteins unverzichtbar". Nach diesen beiden Zitaten sollte man meinen, dass es wirklich nur noch "einmal" (s. oben wörtlich) und "abschließend" (ebenfalls s. oben wörtlich) zu einer Meldung kommt. Etwas unsicher wird man bei dieser Bewertung, wenn man auf Seite 5 der Broschüre schaut. Denn dort wird jedermann aufgefordert, weitere Gebiete vorzuschlagen. Haben da zwei verschiedene Autoren an derselben Broschüre gearbeitet?

Oft gestellt wird auch die Frage, wo all die Vorschläge herkommen, insbesondere die abstrusen (s. oben). Es scheint da eine Szene voller Aktivitäten zu geben, die die Autoren Dirk Maxeiner und Michael Miersch, wenn auch in anderem Zusammenhang u.a. im Umfeld des Umweltbundesamtes geortet haben. Ihre Bewertung der dabei gemachten Beobachtungen ist ein wenig ätzend. Das mag in seiner Zuspitzung daran liegen, dass die beiden eigentlich Konvertiten sind. Nehmen wir das Zitat so, wie es jüngst in der Welt zu lesen war; überprüfen können wir es von hier aus nicht: "Die Aktivitäten des UBA sind prinzipiell ein guter Indikator dafür, wie es um unsere Umwelt und unseren Geisteszustand steht: Je mehr es mit der Umwelt bergauf geht, desto mehr geht es mit dem Geisteszustand bergab. ... Heftig zugenommen haben hingegen die intellektuellen Heißluftemissionen. Das hat einen einfachen Grund: Die in den achtziger Jahren aus dem Kraut geschossenen Öko- und Umweltinstitute müssen über Wasser gehalten werden. Dialogverfahren und Workshopmanie sind nichts anderes als staatliche Alimentationen für die alten, ideologischen Weggefährten, die im Sinne ernsthafter Forschung nichts zu bieten haben. Und manchmal kommt es noch schlimmer. Renate Künasts ,Diskurs zur grünen Gentechnik’ beispielsweise hatte vor allem ein Ziel: Die Verhinderung derselben. Während die Naturwissenschaften in Deutschland auf dem Rückzug sind und dem Land die Ingenieure ausgehen, werden gleichzeitig Millionen für sinnfreies Palaver und Gaga-Wissenschaft ausgegeben ....". Etwas hart formuliert, aber nachdenkenswert.

In Schleswig-Holstein lohnt es sich, für die von der Meldung Betroffenen, die Sache gründlich nachzuprüfen (s. o.). Gründlich nachgeprüft werden sollte aber auch die Anwendbarkeit der EU-Vogelschutzrichtlinie selbst. In ihrer Präambel ist von einem sehr raschen Rückgang der Bestände der wildlebenden Vogelarten die Rede. Und hierauf basiert die Richtlinie aus dem Jahre 1979. Im Entwurf des Landschaftsprogramms des Landes Schleswig-Holstein von 1997 hieß es: "Die aktuelle rote Liste der Vögel zeigt im Vergleich zur Ausgabe von 1990, dass sechs Arten neu aufgenommen wurden, aber 26 Arten aufgrund ihrer Bestandsentwicklung entlassen wurden". Im 1998 erschienenen, endgültigen Landschaftsprogramm fehlte diese Passage zwar, aber sie wird wohl wahr gewesen sein. Und damit passen hier zwei Dinge nicht mehr recht zusammen.