Nr. 32 vom 13. August 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Beim Nordseeschutz sind sich alle Beteiligten in Deutschland darüber einig, dass die Einträge von Schadstoffen und Nährstoffen vermindert werden müssen. Bezüglich der Schadstoffe gilt dies auch international. Auffällig bei den letzten Nordseeschutzkonferenzen war es immer wieder, dass Großbritannien und Norwegen, die von allen Anrainern der Nordsee die größte Küstenlänge haben, die Nordsee immer wieder als "nicht eutrophiert" bezeichnet haben. Von den übrigen Teilnehmern der Nordseeschutzkonferenzen wurde dies wiederholt als Verdrängungstaktik bezeichnet und in Bezug auf Großbritannien auch mit dem Vorwurf verbunden, der Hauptverursacher wolle sich vor der Lösung des Problems drücken.

Was ist nun dran an der These der Briten und Norweger, die Nordsee sei nicht eutrophiert? Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Stickstoff- und Phosphorgehalte der Nordsee zunehmen. Dabei ist es jedoch auffällig, dass die Stickstoffgehalte bei abnehmenden Ammoniumgehalten nur deswegen zunehmen, weil die Nitratgehalte besonders stark steigen. Nun ist der Begriff "eutrophiert" ein relativer Begriff. Wenn man das Überschreiten einer bestimmten Schwelle annehmen will, braucht man eine Vergleichsbasis. Und die Briten und Norweger vergleichen die Nordsee mit dem Atlantik, in dem die Phosphat- und Stickstoffgehalte höher sind als in der Nordsee. Liest man in den Veröffentlichungen des Bundesumweltamtes zu den Einträgen von Stickstoff und Phosphor in die Nordsee, heißt es dort zu den veröffentlichten Werten, sie gelten ohne Einträge aus dem Ärmelkanal und dem Atlantik. Besorgt man sich die Einträge aus dem Atlantik, sieht man schnell, dass der Atlantik die Nordsee stärker mit Nährstoffen belastet als alle Flüsse zusammengenommen. Tatsächlich stellt sich die Situation so dar: In der Nordsee sind die höchsten Nährstoffgehalte in unmittelbarer Küstennähe. Sie nehmen zur Mitte der Nordsee hin ab und steigen dann zum Atlantik hin wieder an. Schon bei den Shetlandinseln werden dabei Werte wie in Küstennähe erreicht.

Diese Erkenntnis ist kein Grund, mit den Bemühungen um die Reduzierung der Einträge in die Nordsee nachzulassen. Es fällt nur auf, dass bei der unendlichen Fülle der Literatur zu diesem Thema die Verursacherrolle des Atlantiks in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt ist. Vielleicht liegt es daran, dass man den Atlantik nicht auf irgendeine Anklagebank setzen kann.