Nr. 45 vom 12. November 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

52 Prozent aller Käferarten in Schleswig-Holstein, so war es in den Tageszeitungen zu lesen, kämpfen um ihr Überleben. Zu lesen war auch folgender Satz: "Schuld am Verschwinden der sechsbeinigen Krabbeltiere waren ... die Land- und Forstwirtschaft." Für die Landwirtschaft wird dann weiter unten präzisiert, dass es um den Rückgang der Vielfalt der Ackerrandkräuter geht. In Schleswig-Holstein macht die Waldfläche ca. 10 Prozent und die Ackerfläche ca. 30 Prozent aus. So bleiben 60 Prozent, für die hier keine Aussagen getroffen werden. Wie geht es den Käfern auf diesen 60 Prozent der Landesfläche?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier soll nicht der Versuch gemacht werden, Schuld von einem auf den anderen zu verlagern. Selbstverständlich wäre die Vielfalt der Käfer größer, wenn wir eine Ackerbegleitflora wie vor 60 Jahren hätten oder eine naturnähere Gestaltung der Wälder. Dennoch muss man hier zwei Bemerkungen machen, um den Land- und Forstwirten ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zu gewähren:

1. Wenn es so wäre, wie es durch diese Artikel überkommt, dass es eine praktische Alleinverursacherrolle der Ackerflächen und der Waldflächen gibt, müsste es auf den restlichen 60 Prozent der Fläche die allermeisten der bedrohten Käferarten in hinreichenden Populationsgrößen geben. Dann aber sähe die vom Landesamt veröffentlichte "Rote Liste Käfer" anders aus.

2. Vermutlich ist es gar so, dass eine sehr große Zahl der hier in Rede stehenden Käferarten nur im Wald bzw. im Rahmen ackerlicher Nutzung vorkommt. Soweit es um die Arten im Rahmen ackerlicher Nutzung geht, muss dann doch folgendes gelten:

Die Arten haben sich auch erst mit Einführung der ackerbaulichen Nutzung eingestellt. Die heutige Form der Ackernutzung hat nicht etwa natürliche Verhältnisse verdrängt, sondern eine frühere Form der Ackernutzung. Beide Formen der Ackernutzung sind als Nutzungsformen den Regeln der Betriebswirtschaft unterworfen. Wenn die Gesamtgesellschaft will, dass die Landwirte hier die Regeln der Betriebswirtschaft teilweise nicht beachten, muss sie auch für die wirtschaftlichen Folgen aufkommen.

Eine innerhalb Europas oder gar der Welt konkurrenzfähige Ackerwirtschaft wird es für den größten Teil der bei uns ackerbaulich genutzten Flächen nur geben können, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

- Entweder müssen unsere Ackerbauern so wirtschaften, wie ihre Konkurrenten auch oder

- sie müssen dort, wo die Gesamtgesellschaft etwas anderes von ihnen fordert, einen entsprechenden Ausgleich haben.

Wer der ackerbaulichen Nutzung in Schleswig-Holstein die Konkurrenzfähigkeit nimmt, beseitigt sie und damit auch die Käferarten, die an eine ackerbauliche Nutzung gebunden sind.

Und noch ein Hinweis: Es wird bei uns niemand daran gehindert, sich Wald oder Ackerland zu kaufen und die Verhältnisse dort so zu gestalten, wie er es für richtig hält. Nur, wenn es an das eigene Portemonnaie geht, wird laute Kritik plötzlich leise.