Nr. 46 vom 19. November 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Viele Menschen neigen dazu, von gesunden und ungesunden Nahrungsmitteln zu sprechen. Tatsächlich gibt es diese Klassifizierung gar nicht, sondern nur ungesunde Ernährungsgewohnheiten. Häufig begegnet man auch dem Begriff "vollwertig". Dabei muss man sich klarmachen, dass "vollwertig" nur eine Bezeichnung für längerfristige Verzehrmengen sein kann. Und längerfristig zahlt es sich für die Gesundheit immer aus, möglichst von allem etwas zu sich zu nehmen.

Einseitige Ernährung ist niemals gesund, egal, welche Nahrungsmittel dabei zu sich genommen werden. Ein amerikanischer Anthropologe hat hierzu eine eindrucksvolle Berechnung vorgelegt:

Da unter den Menschen, die gerne von gesunden und ungesunden Nahrungsmitteln sprechen, das Weizenkorn in der Regel das Prädikat "gesund" trägt, hat er das Bild von der einseitigen Ernährung aus Weizenkörnern gemalt und ernährungsphysiologisch nachgerechnet. Weizen enthält zwar alle essentiellen Aminosäuren, aber um auch von den knapp vorhandenen genug aufzunehmen, müsste ein Mann mit einem Körpergewicht von 80 kg täglich 1,5 kg Vollweizenbrot in sich hineinstopfen. Wenn er keine andere Quelle für diese wichtigen Eiweißbausteine hat, leidet er bald an Proteinmangel, wenn er weniger als 1,5 kg Brot verzehrt. Auch hier gilt eine Regel, die wir in der Düngungslehre als Liebigs Gesetz vom Minimum kennen. Es geht immer um die am knappsten vorrätige essentielle Aminosäure.

Sobald diese limitierende essentielle Aminosäure aufgebraucht ist, hört die Umsetzung von Aminosäuren in Proteine auf, ganz egal, wie viel von all den übrigen Aminosäuren noch vorhanden ist. Wenn Aminosäuren aber keine Verwendung als Proteinbildner finden, werden sie rasch in Energie umgewandelt. In unserem Beispiel wird also nicht nur die Stärke, sondern auch der Teil des Eiweißes im Getreidekorn, der über die limitierende Aminosäure hinausgeht, in Energie umgewandelt. Unser Proband würde bei durchschnittlichem Energieverbrauch pro Woche 1 kg zunehmen und in 1½ Jahren sein Gewicht verdoppeln. Wir müssen ihm also dringend empfehlen, nicht nur Vollweizenbrot, sondern auch Milch und Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse sowie überhaupt alles zu verzehren, was angeboten wird, und dies alles im ausgewogenen Verhältnis. Bei den meisten Menschen regelt im übrigen der Appetit dieses ausgewogene Verhältnis recht gut. Allerdings haben wir meist eine Neigung, uns so zu ernähren, wie jemand, der mehr Energie verbraucht als es heute üblich ist.