Nr. 51/52 vom 24. Dezember 1994

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Sündenbockrolle in der Landwirtschaft in Sachen Umweltschutz tritt nirgends so deutlich hervor, wie bei Vorwürfen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Über das Ausmaß an Desinformation in diesem Bereich wurde an dieser Stelle wiederholt gesprochen. In letzter Zeit häufen sich nun Hinweise in der Öffentlichkeit, die Grundwasserbelastungen mit Pflanzenschutzmitteln seien hoch, und sie seien höher als Grundwasserbelastungen aus anderen Bereichen.

In einer jüngst gehaltenen ministeriellen Rede hieß es: "Aufgrund der Wirtschaftsstruktur des Landes sind die Einträge aus Industrie und Gewerbe vergleichsweise gering gegenüber den Einträgen von Nitrat und Pflanzenschutzmitteln aus der Landbewirtschaftung." Lassen wir die Nitratdiskussion hier einmal außen vor und wenden uns nur den Pflanzenschutzmitteln zu:

"Vergleichsweise höher als Einträge aus Industrie und Gewerbe." Kann eine solche Aussage richtig sein? Ganz genau weiß es selbstverständlich niemand, wie hoch die Einträge aus Pflanzenschutzmitteln in das Grundwasser sind. Was wir wissen, ist, dass Belastungen in Schleswig-Holstein bisher nur an wenigen Stellen bei einzelnen Brunnen vorgekommen sind. Von Belastungen kann man dabei auch nur deshalb sprechen, weil wir es hier mit einem Grenzwert zu tun haben, der im Vergleich mit anderen Trinkwassergrenzwerten unglaublich streng ist. Bekanntlich darf bei uns 400mal soviel Zyankali im Trinkwasser sein wie Pflanzenschutzmittel, die nicht giftiger sind als zum Beispiel Kochsalz oder Körperpflegemittel.

Im allergrößten Teil Schleswig-Holsteins ist noch niemals ein Pflanzenschutzmittel im Grundwasser analysiert worden, und vor dem Hintergrund, dass Mittel mit schnellem Sickerungsverhalten, auch wenn sie ausgesprochen ungefährlich sind, entweder eine W-Auflage haben oder gänzlich verboten sind, ist dies auch künftig nicht zu erwarten.

Es hat niemand ein großes Interesse daran, dass die im Grundwasser gefundenen Pflanzenschutzmittelmengen immer weiter abnehmen, wie die Landwirtschaft. Sie hat ihre Aufwandsmengen in den letzten Jahren deutlich verringern können. Sie hat sich immer mehr auf Mittel mit geringerem Gefahrenpotential verlegt. Vor diesem Hintergrund und angesichts dieser Tatsache, dass hinter den bisherigen Befunden sehr sehr kleine Mengen stehen, haben Bauern kein Verständnis mehr dafür, immer noch wieder mit Äußerungen der obigen Art konfrontiert zu werden. Die Mengen, die hinter den Befunden stehen, sind so klein und haben ein so geringes Gefahrenpotential, dass sie sich gegenüber anderen Problemstoffen unserer Gesellschaft, wie zum Beispiel alles, was mit mineralischen Treibstoffen zusammenhängt, wie beispielsweise Altöl, oder viele andere gewerbliche oder industrielle Emissionen, das Prädikat "verschwindend wenig" verdienen.

Die Landwirte werden ihre Minimierungsstrategien weiter verfolgen, sie erwarten aber auch eine objektive Beurteilung, von der unsere Gesellschaft, einschließlich ministerieller Redner, noch weit entfernt ist.