Nr. 14 vom 08. April 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Über die Nutzung der fossilen Energieträger als Hauptverursacher des Klimaproblems gibt es kaum noch Streit, allenfalls über die zu erwartenden Ausmaße des Problems. Unter den Alternativen ist die Landwirtschaft naturgemäß zu einer guten Platzierung der energetischen Nutzung der Biomasse interessiert und deshalb sicherlich über den Verdacht erhaben, der hier konkurrierenden, weil ebenfalls CO2-neutralen Kernenergie allzu positiv gegenüberzustehen. Die nachfolgenden Zeilen sind deshalb auch kein Plädoyer für die Kernenergie, sondern lediglich eine Illustration dessen, wie heute in Deutschland Meinungen gemacht werden, im hier zu besprechenden Fall über die Kernenergie.

Es geht um die Leukämiestudie zum Kernkraftwerk Krümmel oder konkret um einen in den schleswig-holsteinischen Zeitungen abgedruckten Ino-Text. Bei der Untersuchung des Berliner Robert-Koch-Instituts, so heißt es in dem Text, sei offenbar geschlampt worden. Die Ergebnisse seien "Experten zufolge jedenfalls unbrauchbar". Der Leser erfährt dann, dass zu diesem Ergebnis ein bisher unter Verschluss gehaltener Bericht eines Münchner Strahlenbiologen kommt. Ein Sprecher des niedersächsischen Sozialministeriums wird dann zitiert, das Robert-Koch-Institut "habe gängige Qualitätsstandards nicht eingehalten und sei bei künftigen Untersuchungen nicht zu berücksichtigen". Für eine Studie, die der Öffentlichkeit und auch den Verfassern des Ino-Textes bis dahin inhaltlich unbekannt ist, wäre damit eigentlich alles gesagt gewesen.

So aber nicht Ino. Die zweite Hälfte des Textes beruht dann auch mangels neuer Kenntnisse auf alten Hüten und Spekulationen. Es wird berichtet, dass die im Umkreis des Atomkraftwerks Krümmel zwischen 1989 und 1991 aufgetretenen Blutkrebserkrankungen Anlass zu einer Untersuchung gewesen seien. Man habe insgesamt 72 Kinder auf veränderte Chromosomen untersucht, 42 aus der Elbmarsch und zum Vergleich 30 Kinder aus dem "als unbelastet geltenden Plön".

Die Ergebnisse dieser Chromosomenstudie hätten Kritik hervorgerufen. Wenn der Leser an dieser Stelle die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, zum Inhalt der Kritik an den vorliegenden Studien endlich etwas zu erfahren, muss er jetzt am Ende des zweiten Drittel des Textes etwas überraschendes zur Kenntnis nehmen: "In den Blutproben aus Plön waren mehr veränderte Chromosomen festgestellt worden als in denen aus der Elbmarsch."

Das war also des Pudels Kern, oder "dieser Skandal war kein Skandal". Wir können selbstverständlich weder beurteilen, ob Krümmel nun wirklich gefährlich ist, noch welches der Gutachten denn nun seriös ist und welches nicht. Aber die Art der öffentlichen Darstellung spricht doch Bände.

Im Mai wollen die Expertenkommissionen der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein endgültig entscheiden, ob die Kinder-Chromosomenstudien verwertbar sind oder nicht. Bis dahin sollen dann auch die Berichte von zwei Labors über Strahlenbelastungen vorliegen, die sich in Baumscheiben niedergeschlagen haben. Für die pressemäßig verwertbare Fortsetzung der Geschichte ist also auch schon gesorgt.