Nr. 16 vom 22. April 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wenn es wahr ist, dass zwei Drittel aller gefährdeten bzw. verschollenen Pflanzenarten auf den Roten Listen zu den sogenannten "Hungerkünstlern" zu zählen sind, lohnt es sich aus Sicht der Landwirtschaft, darüber gründlich nachzudenken.

"Hungerkünstler" wachsen dort, wo Pflanzennährstoffe für andere Pflanzenarten, die eben keine "Hungerkünstler" sind, nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Das kann daran liegen, dass die betreffenden Nährstoffe überhaupt nicht vorhanden sind, oder dass sie aus Gründen der Vernässung, des pH-Werts oder anderen Gründen nicht verfügbar sind. Dabei geht es um Nährstoffniveaus, die mit einer modernen konkurrenzfähigen Landwirtschaft nicht vereinbar sind. Andererseits lassen sich sehr viele der betroffenen Pflanzenarten und damit auch die an sie gebundenen Tierarten nur, oder jedenfalls am besten, im Rahmen einer landwirtschaftlichen Nutzung erhalten. Wenn dies die Konkurrenzfähigkeit des zu einer solchen Nutzung veranlassten Landwirts beeinträchtigt, gibt es zwei Möglichkeiten, wie man an die Sache herangehen kann: Entweder der Landwirt behält die betroffenen Flächen und erhält im Rahmen des Vertragsnaturschutzes einen finanziellen Ausgleich; oder er verkauft die Fläche, und sie wird von ihm oder einem anderen Landwirt im Rahmen eines passenden Pachtvertrages genutzt. Wenn dies streng nach dem Prinzip der Freiwilligkeit abläuft, ist es für den einzelnen Landwirt unproblematisch und für den Naturschutz hilfreich. Dabei ist es nicht so wichtig, ob beispielweise bei kleineren Flächeneinheiten eher der Vertragsnaturschutz und bei größeren Flächeneinheiten eher eine generelle Umgestaltung im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen verbunden mit Ankauf durch die öffentliche Hand erfolgt.

Es bleibt allerdings ein Problem, das von einigen der Verantwortlichen leicht verdrängt wird: Es geht Wirtschaftskraft verloren. Dies ist für die übrigen Menschen in dem betreffenden Raum dann kein Problem, wenn es sich in der Nähe der großen Städte abspielt. Die Rolle der Landwirtschaft zur Erhaltung der Infrastruktur durch ihre Wirtschaftskraft ist in der Nähe der großen Städte gering. Anders sieht es in den dünn besiedelten Räumen aus, wie zum Beispiel in der Eider-Treene-Sorge-Niederung, wo für den Naturschutz in jüngster Zeit besonders viel läuft.

In solchen Regionen bringen die Maßnahmen des Naturschutzes einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftskraft. Dies hängt auch damit zusammen, dass es bei der Herausnahme von Flächen aus einer normalen landwirtschaftlichen Nutzung nicht nur um den Gewinn des Landwirts, sondern um den gesamten Umsatz geht, denn davon hängt die Wirtschaftskraft des Raumes ab. Dieses Problem wird von den Verantwortlichen zwar erkannt, aber es wird unterschätzt; und es gibt dazu noch ungeeignete Beschwichtigungsversuche. So heißt es vielfach, die Wirtschaftskraftverluste würden durch eine Ausdehnung des Tourismus ausgeglichen.

Um beim Beispiel der Eider-Treene-Sorge-Niederung zu bleiben: Sieht man sich die Zahlenverhältnisse zwischen Tourismus und Landwirtschaft an, wie sie derzeit sind, bringt selbst eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Tourismus nur einen Ausgleich für 1 oder 2 Prozent Rückgang in der Landwirtschaft. Werden die Rückgänge in der Landwirtschaft stärker, kann ein Ausgleich durch den Tourismus nicht erfolgen, und wenn, dann nur auf ökologisch wenig verträgliche Weise.