Nr. 20 vom 20. Mai 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Im Januar haben wir an dieser Stelle die Engstirnigkeit derer aufs Korn genommen, die von übermäßigem Fleischverbrauch sprechen und damit die schlechtere Energiebilanz meinen. Es kann diesen Menschen nur um die Energiebilanz bei der Versorgung mit essentiellen Aminosäuren durch Fleisch anstelle durch pflanzliches Protein gehen, denn die ernährungsphysiologische Seite können diese Menschen nicht meinen: In mehr als 99 Prozent der Menschheitsgeschichte, zurzeit der Sammler und Jäger, wurde drei- bis viermal mehr Fleisch verzehrt als heute.

Kritik kann man wirklich nur an der Energiebilanz festmachen und z.B. schon gar nicht an der Frage der Stickstoffemissionen auf Grund von Eiweißverzehr. Bei der Versorgung mit essentiellen Aminosäuren durch pflanzliches Protein müssen die Eiweißmengen nämlich größer sein als bei einer Bedarfsdeckung durch Fleisch, und damit sind auch die Emissionen an Stickstoffverbindungen durch den Menschen größer.

Es geht also nur um die Energiebilanz: Auf Grund unseres Beitrags im Januar hatte es Anfragen gegeben, wie hoch denn nun die Energieverschwendung durch Fleischverzehr tatsächlich ist. Jeder Landwirt weiß in etwa, wie viel Futter er aufwenden muss, um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen, und er weiß auch, dass der Energiewert des Futters ein Vielfaches des Energiewertes des Fleisches ausmacht. Soweit kann es keine Fragen geben. Wer aber im Hinblick auf diese negative Energiebilanz von Energieverschwendung spricht, muss sich Vergleiche mit anderen Lebensbereichen vorhalten lassen:

In einem Land, in dem die Energieverschwendung insgesamt ungeheure Ausmaße hat, laufen einen derartige Vergleiche geradezu um. Hier soll einmal der Vergleich mit der Energieverschwendung bei Treibstoffen herangezogen werden. Dabei wird vereinfachend davon ausgegangen, dass Heizöl, Dieselöl und Benzin in etwa gleiche Energiewerte haben. Wir nennen sie nachfolgend also alle "Öl". Wie viel Öl braucht ein Landwirt, um das Futter für die Erzeugung von 80 kg Fleisch zu produzieren? Das nämlich ist die durchschnittliche Verbrauchsmenge pro Kopf bei uns in Deutschland, wenn man Tierfutter oder andere Dinge herausrechnet, die mit dem Verbrauch durch den Menschen nichts zu tun haben.

Für die Produktion von 80 kg Schweinefleisch braucht ein Landwirt weniger als 400 kg Futter. Bei einer Durchschnittsernte von 75 dt Getreide pro Hektar entspricht das einer Anbaufläche von gut 500 m2.

Bei der Frage nach dem Energieverbrauch für Futtererzeugung geht es nicht nur um den Treibstoff für den Schlepper, den Mähdrescher oder andere Fahrzeuge: Der größte Posten in dieser Rechnung entfällt auf den Energieaufwand für den mineralischen Stickstoffdünger. Es gibt hier eine Faustregel, wonach auf jedes Kilogramm Stickstoff ein Kilogramm Öl entfällt und dies die Hälfte des gesamten Energieaufwandes ist. So kommen wir für einen Hektar auf einen Aufwand in der Größenordnung von 300 kg Öl. Auf 500 m2 entfallen damit 15 kg. Von diesen 15 kg Ö1 muss in jedem Fall ein Viertel abgezogen werden, denn auch bei rein pflanzlicher Kost gibt es einen gewissen Energieaufwand für die Versorgung mit essentiellen Aminosäuren. Das Thema der angeblichen Energieverschwendung beim Fleischverbrauch reduziert sich damit auf die Tankfüllung eines Mopeds. Menschen, die in der Lage sind, ganze Kirchentage mit diesem Thema zu bestreiten, sollten sich das vor Augen halten: Die Tankfüllung eines Mopeds ist die angebliche Energieverschwendung beim jährlichen Fleischverzehr eines Menschen!