Nr. 25 vom 24. Juni 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Jedermann kennt den berühmten Pawlowschen Reflex, ein Teil eines Bündels von Erkenntnissen für das der berühmte russische Physiologe lwan Petrowitsch Pawlow seinerzeit den Nobelpreis erhielt. Weniger überliefert sind Pawlows Aussagen zum Thema Tierversuche: "Wenn ich einen Versuch beginne, der letzten Endes zum Tode des Tieres führt, empfinde ich ein tiefes Gefühl des Bedauerns, dass ich ein blühendes Leben unterbreche ..., dass ich mit grober, ungebildeter Hand einen unaussprechlich kunstvollen Mechanismus zerbreche. Aber ich ertrage das im Interesse der Wahrheit, zum Nutzen des Menschen."

Pawlow gibt damit das Spannungsfeld wieder, in dem der Wissenschaftler lebt, für dessen Forschungsarbeiten Tierversuche unverzichtbar sind: Wenn er an Produkten arbeiten möchte, die uns nutzen und nicht schaden sollen, - an der Entwicklung von Medikamenten mit Wirkung aber ohne Nebenwirkung, oder von Pflanzenschutzmitteln, die Schädlinge und Pflanzenkrankheiten bekämpfen, ohne unsere Gesundheit zu gefährden und die Umwelt zu belasten - dann muss er zum Tierexperiment greifen.

Man kann hierzu auch Professor Dr. Bernhard Grzimek zitieren: "Unsere gesamte Medizin - die erfolgreiche Bekämpfung vieler Krankheiten und Seuchen bei Mensch und Tier - ist durch Tierversuche ermöglicht worden. Es ist zwecklos, davor die Augen verschließen zu wollen." Grzimeks Worten kann man nur hinzufügen, dass sie mit Sicherheit nicht für Krankheiten und Seuchen bei Mensch und Tier, sondern auch bei Pflanzen gelten.

Eine völlige Ablehnung aller Tierversuche scheint unverantwortlich zu sein. Unverantwortlich ist selbstverständlich auch, unnötige Tierversuche durchzuführen. Die Erkenntnis folgt ebenso wie die vorige aus Pawlows und aus Grzimeks Worten, indem Grzimek weiter sagt: "Wir können mit gutem Recht fordern, dass Tierversuche nur mit Betäubung, nicht unnötig und nur unter verantwortlicher Überwachung vorgenommen werden. Wer Tierversuche aber überhaupt und rundweg ablehnt, wird nirgends ernstgenommen".

Es geht also um die Reduzierung der Zahl der Tierversuche, nicht aber um die völlige Abschaffung. Hierbei werden Forschung und Entwicklung , zumal wenn sie unter der Regie der Industrie stattfinden, häufig verdächtigt, eine Reduzierung der Tierversuche nicht zu wollen. Es kursiert das Schlagwort von den Tierversuchen aus Profitgier. Wer die langen Kataloge von Maßnahmen zur Reduzierung von Tierversuchen kennt und auch die damit erzielten Erfolge, ist geneigt, diesem Schlagwort keinen Glauben zu schenken. Wer sich in dieser Szene informiert, hört immer wieder, Untersuchungen am lebenden Tier seien eine besonders kostspielige Phase der Forschung. Schon allein deshalb, so scheint es, hat die Industrie großes Interesse an anderen, in der Regel preiswerteren Testmethoden. Die langen Maßnahmenkataloge können an dieser Stelle selbstverständlich nicht widergegeben werden, auch nicht auszugsweise. Es sei nur ein Beispiel angeführt: Bis vor kurzem wurde die Reizwirkung bestimmter Substanzen am Auge von Kaninchen festgestellt. Heute werden statt dessen leicht bebrütete Hühnereier eingesetzt. Dies ist ein besonders plastisches Beispiel, aber nur eines von sehr vielen, bei denen auf verschiedenste Weise Wirkungen von Chemikalien an Zellkulturen oder an isoliertem Gewebe untersucht werden, wo früher Untersuchungen am ganzen Organismus stattfanden.

Es dürfte auf der Hand liegen, dass dieses nicht nur im Interesse des Tierschutzes liegt, sondern auch der Kosteneinsparung dient, ebenso wie die neueren Methoden zum Aufspüren möglicher Erbschäden. Statt an Tieren werden solche Tests heute an Bakterien, Hefen, Pilzen oder Gewebskulturen durchgeführt. Aber es gibt eben nicht für jeden Tierversuch einen Ersatz, womit wir wieder bei Pawlows Worten wären.