Nr. 29 vom 22. Juli 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Nordstrander Bundestagsabgeordnete Peter Harry Carstensen hat es auf den Punkt gebracht: Die Landwirtschaft werde als Hauptverursacher von Schadstoffen an den Pranger gestellt, sie diene als Sündenbock, um von Problemen in anderen Bereichen abzulenken. Viele der Vorstöße gegen die Landwirtschaft sind mit Sicherheit so motiviert, wie Carstensen es gesagt hat. Daneben gibt es noch andere, die lediglich nachplappern und natürlich die Medien, die sich - sozusagen von der Hand in den Mund - von einer Sensation zur nächsten hangeln.

Völlig undurchschaubar ist jedoch, welcher Teufel unlängst einen nordfriesischen Amtsvorsteher geritten hat, als er sagte: "Es führt kein Weg daran vorbei, der Dreck kommt aus der Landwirtschaft." Und als Landwirt, so war in der Zeitung zu lesen, habe er für sich klare Kante gemacht: "Ich will nichts reinlassen!"

Nun braucht man sich bei unserem jüngsten Kritiker keine Sorgen darüber zu machen, dass er als Landwirt "etwas reinlässt". Er hat schon vor längerem die Landwirtschaft aufgegeben.

Vielleicht ist diese Geschichte von derselben Art wie die Tatsache, dass ehemalige Raucher häufig die militantesten Nichtraucher sind, aber Gründe hatte der Amtsvorsteher für seine Erklärung nur sehr fadenscheinige zu bieten. Auf Befragung verwies er auf negative Befunde auf den Inseln Föhr und Sylt, sowie im Pinneberger Baumschulgebiet. Nur müsste eigentlich jedermann wissen, dass man die Verhältnisse im Baumschulgebiet mit der Gesamtheit der Landwirtschaft überhaupt nicht vergleichen kann und auch auf den Inseln Umstände vorliegen, die jeden Vergleich mit dem Festland ausschließen.

Er pochte auf eine Verantwortung als Vorsteher eines Wasserbeschaffungsverbandes. Auf die Frage, wie denn die Belastungswerte in seinem Wassereinzugsbereich seien, konnte er jedoch am Telefon nicht antworten. Er versprach aber, die Werte schriftlich herauszugeben. Warten wir es also ab.

Es ist richtig, auf der Insel Föhr hat man vor Jahren eine Grenzwertüberschreitung bei dem Herbizid Atrazin festgestellt. Wenn dieser Vorfall aber heute für einen derartigen Rundumschlag noch als Beleg herhalten muss, ist dies geradezu lächerlich. Nicht nur, dass auf Föhr Atrazin oberhalb des Grenzwertes nicht mehr gefunden wird; es ist bei uns Atrazin längst verboten, es haben alle Pflanzenschutzmittel, die nach ihrem Sickerungsverhalten ein Vordringen in das Grundwasser befürchten lassen, inzwischen eine sogenannte W-Auflage. Die Funde von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser waren nicht nur stets selten, sie haben in Deutschland in den letzten Jahren auch kontinuierlich abgenommen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass das Thema überhaupt nur deshalb in der Weit ist, weil es einen über alle Maßen strengen Trinkwassergrenzwert gibt. 400 mal soviel Arsen wie Atrazin darf bei uns im Trinkwasser sein, obgleich Arsen ein schlimmes Gift und Atrazin toxikologisch nicht gefährlicher als Kochsalz oder Haarpflegemittel ist.

Und wenn unser Amtsvorsteher die befürchtete Nitratbelastung des Grundwassers meinen sollte: Gerade im Hinblick auf den Grundsatz der bedarfsgerechten Düngung hat es in der Landwirtschaft in den letzten Jahren enorme Fortschritte gegeben. Dies mag ihm aus seiner Zeit als Praktiker nicht geläufig sein, ist aber schon aus der Statistik eindeutig abzulesen. Pflanzen müssen nun einmal mit Stickstoff versorgt werden, ob durch organische Düngemittel, durch mineralische Düngemittel oder den Anbau von Leguminosen. Und wo mit Stickstoff umgegangen wird, gibt es auch Stickstoffverluste. Man kann sie nicht völlig ausschalten, man kann sie lediglich reduzieren; und in dieser Hinsicht hat die Landwirtschaft in letzter Zeit nun wirklich große Fortschritte gemacht.