Nr. 41 vom 14. Oktober 1995

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Ein japanischer Professor sagte es im Jahre 1938: "Das tüchtige deutsche Volk ist von der Tragik begleitet, alle paar Jahrzehnte ein im Ansatz positives Anliegen emotional zu übersteigern und dadurch unnötig zu zerstören, was es vorher mühsam aufgebaut hat."

Dieser Ausspruch wurde vor einigen Monaten auf einem Forum zitiert, bei dem es um die Verwertung von Siedlungsabfällen auf landwirtschaftlichen Böden ging. Was hat der Ausspruch des Japaners mit Klärschlamm zu tun?

Die Antwort auf diese Frage gab Reiner Latten vor einiger Zeit. Er sagte: "Je höher die umweltpolitischen Anforderungen an die landwirtschaftlichen Tätigkeiten insgesamt gestellt werden, um so höher wird das Risiko des einzelnen Landwirts bei der Verwendung von Klärschlämmen und Kompost." Der politische Grenzwertfetischismus, so Latten, habe weitab jeder fachlichen und wissenschaftlichen Grundlagen den Boden des verantwortlichen Abwägens längst verlassen. Latten begründete damit seine These, dass die Politik selbst die Schwelle festsetze der zukünftigen Rolle der Landwirtschaft bei der Verwertung von Siedlungsabfällen und nicht die Landwirtschaft. Und wer Latten kennt, weiß, dass er auch die entsprechenden Beispiele für rationales Umweltdenken im politischen Raum bei der Hand hatte: Da gäbe es ein Bundesland, das mit einem Erlass die Bioabfallkompostierung erzwinge, aber gleichzeitig mit einem anderen Erlass die Aufbringung von Komposten auf landeseigene Flächen untersage.

Der umweltpolitische Sprecher einer der großen Bundestagsfraktionen habe die Pflanzenschutzmittel als die Weiterentwicklung der chemischen Kampfstoffe des Zweiten Weltkrieges bezeichnet; sie müssten genau wie diese eliminiert werden.

Latten erinnerte an den seinerzeitigen Entwurf des Bundesbodenschutzgesetzes, der vorgesehen habe, dass auf den Boden keine Stoffe aufgebracht werden dürften, wenn mittel- oder langfristig eine Anreicherung von umweltgefährdenden Stoffen zu befürchten sei. Dabei sei die Klärschlammverordnung aus dem Anwendungsbereich des Bodengesetzes ausgenommen.

Es gibt diese Fälle aktuell auch bei uns im Lande Schleswig-Holstein. So hat die Stadt Lübeck es geschafft, dass auf ihren stadteigenen Gütern durch entsprechende Bewirtschaftungsauflagen kein Klärschlamm ausgebracht werden darf. Der Lübecker Klärschlamm wird dann entsprechend weiter transportiert.

Eine Landbaurichtung, die sich die Kreislaufwirtschaft besonders auf die Fahnen geschrieben hat, der ökologische Landbau, verbietet die Ausbringung von Klärschlamm und Müllkompost. So muss man sich denn auch nicht wundern, dass dieses absurde Theater überall in der Gesellschaft seinen Niederschlag findet. Da gibt es große Werke der Ernährungsindustrie, die ausdrücklich Nahrungsmittel aus nicht klärschlammgedüngten Produkten anbieten, gleichzeitig aber die Aufnahme in den Klärschlammfonds beantragt haben, um bei der Landwirtschaft für die Abnahme ihrer eigenen Klärschlämme zu werben. Womit wir beim Marktrisiko der Ausbringung von Siedlungsabfällen auf landwirtschaftliche Flächen wären:

Dieses ist gegenwärtig das größte Problem von allen. Was hilft es dem Landwirt, wenn womöglich die objektiven Risiken wirklich gering sein sollten, er aber eine ganze Reihe wichtiger Produkte nicht mehr absetzen kann?

Vor diesem Hintergrund ist es viel verlangt, wenn man die Landwirtschaft auffordert, sich "an einer objektiven Bewertung der Verbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftliche Nutzflächen" zu beteiligen. Nein, hier ist nicht die Landwirtschaft zuallererst am Zuge. Gefordert sind hier diejenigen, die ihrerseits der Landwirtschaft mit weit übertriebenen Ansprüchen begegnen, damit ein irrationales Umweltdenken gefördert haben und jetzt erstaunt auf das Ergebnis ihrer Bemühungen schauen.