Nr. 42 vom 21. Oktober 1995
Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg
Autor Dr. agr. Hans
Peter Stamp
Logisch?
Im Magazin eines unserer Anbauverbände des Ökologischen
Landbaus war zu lesen: "Der Verbraucher muss für naturgemäß
erzeugte Lebensmittel mehr zahlen. Wobei wir nicht müde werden,
zu erklären, dass die niedrigen Preise für konventionell
erzeugte Nahrungsmittel zu wesentlichen Teilen darauf beruhen,
dass unser Wirtschafts- und Steuersystem die negativen
Umweltauswirkungen und deren Folgekosten nicht beim Verbraucher
erfasst."
Dieser Satz entspricht einer weit verbreiteten Ansicht, wobei
Vertreter einer solchen Meinung jedoch meist keine konkrete
Vorstellung von dem haben, was sie sagen. Sucht man in dem
Öko-Magazin nach konkreten Hinweisen, ist man nicht allzu
erfolgreich. Ein Beispiel wird aber gebracht, es heißt dort:
"Ein Kilo Atrazin kostet zwanzig Mark. Ein Kilo Atrazin aus
dem Wasser wieder herauszuholen, kostet 200 000 Mark. Wer zahlt
das? Das zahlt der Bürger und bekommt dafür spottbillige
Lebensmittel."
Der unbefangene Leser fühlt sich jetzt um einen erheblichen
Geldbetrag geschröpft, denn 200.000 Mark sind schließlich kein
Pappenstiel. Klopfen wir diese These einmal auf ihr wirkliches
Gewicht ab:
-
- Wenn Atrazin im Trinkwasser, wie es in wenigen Einzelfällen
bisher geschehen ist, in grenzwertüberschreitenden
Mengen gefunden wurde, bedeutet es in keinem Fall, dass
eine negative Umweltauswirkung im Sinne einer Gefährdung
des Verbrauchers von Trinkwasser gelegen hat. Der
Trinkwassergrenzwert beinhaltet eine so extrem hohe
Sicherheitsmarge, dass man ihn bei einem Stoff von so
geringer Toxizität wie Atrazin getrost als Übertreibung
ansprechen kann. Eine Gefährdung durch Atrazin hat es
bisher nicht gegeben, und sie wird es auch nicht geben.
-
- Die Anwendung von
Atrazin in Deutschland ist seit mehreren Jahren nicht
mehr erlaubt. Obgleich es für dieses Verbot keine vernünftigen
Gründe gegeben hat, bedeutet das Verbot doch, dass das
Magazin jetzt mit einem Argument arbeitet, das in Zukunft
bedeutungslos werden wird. Die Funde von Atrazin im
Grundwasser waren in der Vergangenheit selten und
aufgrund des Verbots sind sie seit vier Jahren
kontinuierlich rückläufig.
-
- In der Praxis wurde übrigens meist überhaupt nicht zu
dem Mittel der Aufbereitung gegriffen, obgleich dies bei
vielen anderen Stoffen, die mit Landwirtschaft nichts zu
tun haben, regelmäßig geschieht und Kosten in
Millionenhöhe verursacht. Im einzigen bisherigen
Beispielsfall in Schleswig-Holstein, auf der Insel Föhr,
stellten die Bauern ihre Erzeugungsweise um, nicht etwa
auf den ökologischen Landbau, sondern nur von Mais - auf
Grassilage.
-
- Gleichwohl bleibt die Frage interessant, was an dem
Geldbetrag von 200 000 DM wirklich dran ist. Nehmen wir
einmal an, dass Funde von Atrazin nicht etwa selten wären,
sondern in 10 % aller Fälle vorkämen. Nehmen wir weiter
an, dass nicht etwa die Bauern das Problem lösen,
sondern tatsächlich aufgearbeitet wird, und zwar in 50 %
all dieser Fälle. Nehmen wir schließlich an, dass 0,1
m g (Mikrogramm) pro kg
Wasser, also eine volle Grenzwerthöhe, entfernt werden müssten.
Also in 5 % allen Trinkwassers wären 0,1 mg (Milligramm)
pro Kubikmeter zu eliminieren, das wären 0,005 mg
bezogen auf alle Kubikmeter. Wenn 1 kg Atrazin tatsächlich
200 000 DM an Kosten verursacht, wären es noch 200 DM
pro Gramm bzw. 0,20 DM pro mg. Es geht hier also bei
einem sehr wohlwollenden Rechenansatz um 1/10 Pfennig pro
Kubikmeter, in Wirklichkeit um wesentlich weniger. Für
den einzelnen Wasserverbraucher geht es also um eine
Belastung, die so klein ist, dass sie sich in Pfennigen
nicht ausdrücken lässt. Dies ist kein Äquivalent für
die "spottbilligen" Nahrungsmittel. Sicherlich,
Nahrungsmittel sind bei uns zu billig, so dass die
Einkommen der Bauern zu niedrig sind. Eine solche
Parallele zum Atrazin-"Problem" herzustellen
ist allerdings nicht haltbar.