Nr. 44 vom 04. November 1995

Eine neue Variante der Wahrheitsverdrehung in Umweltfragen war in den letzten Tagen in einigen Zeitungen zu finden, allen voran die "Lübecker Nachrichten" und die "Welt".

Die Wahrheitsverdreher machen es so:

- Auch in Hamburg sind die Wälder geschädigt.

- Ursache dieser Schädigung ist die Ammoniumfracht.

- Die Stickstofffracht der Luft beträgt 40 kg.

- Ammonium kommt aus der intensiven Landwirtschaft, und da Hamburg keine intensive Landwirtschaft hat, kommt die Belastung aus Schleswig-Holsteins Intensivlandwirtschaft (so die "Lübecker Nachrichten").

- Schuld sind nicht mehr Industrie und Autoverkehr (so die "Welt").

Man fasst es wirklich nicht mehr, wenn auf so primitive Weise den schleswig-holsteinischen Bauern wieder die Sündenbockrolle zugewiesen wird. Also der Reihe nach:

- Wenn in einem Ballungszentrum wie Hamburg die Wälder geschädigt sind, wundert einen das weniger, als wenn dies anderswo der Fall ist.

- Einseitig dem Ammonium die Verursacherrolle zuzuschieben, ist absolut unhaltbar. Gerade in Hamburg bei der dortigen hohen Verkehrsdichte kommen viele andere Faktoren von Schwefel über Blei, bis hin zu den Stickoxyden in Betracht.

- Wenn von 40 kg Stickstoff im Niederschlag pro Hektar die Rede ist, dürfte sich dies unter Hamburger Verhältnissen zum größten Teil aus den Stickoxyden des Autoverkehrs ergeben haben. Nur ein Teil der Stickstofffracht ist dem Ammonium zuzuschieben.

- Zahlen über die Luftfracht von Stickstoff für Hamburg liegen hier nicht vor. Gut ermittelt, und dies besonders in unseren Wäldern, sind hierzu jedoch die schleswig-holsteinischen Zahlen. Danach läge die Luftbelastung allein durch Stickstoff in Hamburg dreimal so hoch wie bei uns, denn bei uns sind es durchschnittlich nur gut 10 kg und davon gut die Hälfte als Ammonium.

- Wo auch immer die Hamburger Stickstofffracht herkommen mag, es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie aus Schleswig- Holstein kommt, denn meistens weht der Wind nun einmal aus Westen, so dass umgekehrt ein Schuh draus wird.

Bei Hauptwindrichtung aus West, und dies besonders im Zusammenhang mit niederschlagsreichem Wetter, muss es in der Tat regelmäßig zu einer Belastung des südlichen Holsteins und Lauenburgs durch Einträge aus Hamburg kommen. Dies lässt sich auch mit den schleswig-holsteinischen Messweiten gut belegen. Seit Jahren ist der Messpunkt Hahnheide (im Grenzbereich zu Hamburg) des Landesamtes für Wasserhaushalt und Küsten derjenige mit der höchsten Ammoniumbelastung im Niederschlag Schleswig-Holsteins. Die Begründung hierzu drängt sich einem förmlich auf.

Es gibt in Hamburg etwa so viele Menschen wie in Schleswig-Holstein Schweine. Diese Menschen leben aber nicht über eine große Fläche verteilt, wie es bei den schleswig-holsteinischen Schweinen der Fall ist. Sie leben also, wenn man dem üblichen Pressejargon zur Viehhaltung folgt, in "Massenmenschhaltung" mit gut 20 Personen pro ha - ihre Haustiere wie Hunde und Katzen sowie mehr als 1 Mio. Ratten noch nicht einmal gerechnet.

Diese Menschen in Hamburg fahren nicht nur fast alle Auto, nein, sie scheiden auch ebenso wie unsere Schweine Fäkalien aus. Dabei ist der Stickstoffgehalt in der menschlichen Nahrung eher höher als im Schweinefutter. Und das wichtigste ist, dass die Fäkalien der Hamburger kaum zur bedarfsgerechten Düngung von landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt wird, während dies bei den Fäkalien der schleswig-holsteinischen Schweine weitgehend der Fall ist.

Schaut man sich die Sache also näher an, steckt das Problem nicht in schleswig- holsteinischer Massentierhaltung, die es im übrigen gar nicht gibt. Nein, es steckt offensichtlich neben der Industrie in der Hamburgischen "Massenmenschhaltung". Wenn diese Gegenargumentation zu drastisch ist, sei gesagt, dass auf einen groben Klotz bekanntlich ein grober Keil gehört.