Nr. 45 vom 11. November 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Auf Sizilien oder in Neapel kommt es gelegentlich vor, dass Leute beim Frühstück in der Zeitung ihre eigene Todesanzeige entdecken. Die Süditaliener nehmen so etwas keineswegs auf die leichte Schulter, denn es kann ja immerhin sein, dass die Anzeige nur einen Tag zu früh abgedruckt worden ist. Der Betroffene weiß dann, dass er einen Todfeind hat, nämlich den Auftraggeber der Anzeige. Er weiß nur nicht, wie der Auftraggeber aussieht, und wann er ihm oder seinen Helfern begegnen wird.

In der letzten Woche gab es in schleswig-holsteinischen Blättern Meldungen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit derartigen Anzeigen aufweisen. Sie standen unter der Überschrift "Streit eskaliert: Landesnaturschutzverband aufgelöst".

Auch in diesem Fall war es keineswegs so, dass der Landesnaturschutzverband aufgelöst ist. Im Gegenteil, er hat vier Tage vorher eine sehr erfolgreiche Jahresmitgliederversammlung absolviert und unter anderem drei neue Mitgliedsverbände begrüßen können. Aber dennoch sollte auch der Landesnaturschutzverband diese "Anzeigen" nicht auf die leichte Schulter nehmen. Er hat allerdings einen Vorteil. In den Meldungen über sein angebliches Ableben werden Namen genannt, Namen von Verbänden, die erklärt haben sollen, sie wollten noch in diesem Jahr einen neuen Landesnaturschutzverband gründen.

Was steckt nun hinter dieser Geschichte? In den letzten Jahren haben einige Mitgliedsverbände den Landesnaturschutzverband verlassen. Unter der Moderation von Pastor Hohlfeld gab es monatelang sogenannte Einigungsgespräche, aus denen auch ein Kompromisspapier hervorging mit dem Ziel des Wiedereintretens der Dissidenten. Teile des Kompromisspapiers haben inzwischen auch Eingang in die Satzung des LNV gefunden. Zu einer Änderung jedoch konnte die Mitgliederversammlung sich nicht entschließen, nämlich ein unterschiedliches Stimmrecht für Verbände, die sich ausschließlich dem Naturschutz widmen, und für andere Verbände zu regeln. Der wichtigste Grund für die Ablehnung dieses Teils der Anträge war, dass man eine Flut von Streitigkeiten befürchtete. Es wird nämlich kaum Verbände geben, die sich ausschließlich dem Naturschutz widmen. Auch für einige der Dissidenten, wie NABU und BUND, wird man dies nicht sagen können. Hätte der LNV seine Satzung also entsprechend geändert, hätte jede Abstimmung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung des Stimmrechts aller einzelnen Verbände gestanden. Ein derart gespaltenes Stimmrecht, so ergibt es sich nach reiflicher Überlegung zweifelsfrei, hat überwiegend Nachteile bis hin zur völligen Blockade der Verbandsarbeit.

Dem NABU gefällt der Beschluss der Mitgliederversammlung des LNV in diesem Punkt nicht. Für die Umweltministerin sollte dies allerdings kein Grund sein, den Landesnaturschutzverband in Bedrängnis zu bringen. Es bleibt die Frage, wie die genannten Meldungen letztlich zustande gekommen sind. Wer hat sich die angebliche Auflösung des LNV aus den Fingern gesogen? Waren es die genannten Interviewpartner der Zeitungen oder waren es die Zeitungen selbst?

Hoffen wir, dass in diesem Fall, anders als auf Sizilien, der "Todesanzeige" nicht die Verwirklichung folgt.