Nr. 46 vom 18. November 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Sucht man nach den Ursachen der schlechten Stimmung in bäuerlichen Kreisen, stößt man unweigerlich auf die allzu niedrigen Preise landwirtschaftlicher Produkte. So kosten Rinder heute 20 Prozent weniger als vor zehn Jahren und bei Schweinen ist der Preisverfall sogar noch größer. Einer der Gründe für diesen Preisverfall liegt im rückläufigen Verbrauch. Dabei gab es Vorgänge, die mit vernünftigen Gedanken nicht nachvollziehbar sind. In Großbritannien gab es zigtausend Fälle von BSE-Erkrankungen und bei uns insgesamt vier. In Großbritannien jedoch ging der Rindfleischverbrauch nur geringfügig zurück und bei uns erheblich. Die Sache scheint also mehr mit rationalen Bewegungen in der öffentlichen Meinung als mit Tatsachen zu tun zu haben.

Diese irrationalen Bewegungen in der öffentlichen Meinung haben bei uns viele Motoren. Ein Beispiel hierfür ist die jüngste Kampagne des BUND gegen den Fleischverbrauch. Die entsprechende dpa-Meldung sei nachfolgend wörtlich zitiert: "Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat an die Verbraucher appelliert, weniger Fleisch zu essen. Der überhöhte Fleischkonsum in der Bundesrepublik sei nicht nur ungesund, sondern fördere auch den Hunger in der Dritten Welt, erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin des BUND, Karin Mast, gestern anlässlich des heutigen Welternährungstages."

Das Märchen von der angeblichen Energieverschwendung durch Fleischverbrauch hat also offensichtlich auch der BUND inzwischen fallengelassen. Wenden wir uns den beiden jetzt vorgebrachten Argumenten gegen den Fleischverbrauch zu:

Die Bekämpfung des Hungers in der Welt ist sicherlich ein wichtiges Ziel. Man wird aber den Hunger in der Sahelzone kaum dadurch bekämpfen können, dass bei uns weniger Tapioka aus Thailand oder weniger Sojaschrot aus den USA verbraucht wird. Sicherlich, die Verbräuche an importierten Futtermitteln waren bei uns hoch. Sie sind aber rückläufig. Die früher höheren Verbräuche waren eine Folge eines Geburtsfehlers der Europäischen Union, und es wird allzu oft übersehen, dass den hohen Importen an Futtermitteln meist ebenso hohe Exporte an Getreide gegenüberstanden. Es hatte politische Gründe, dass die importierten Futtermittel billiger waren als unser Getreide.

Der Hinweis des BUND, der Fleischkonsum bei uns sei überhöht und ungesund, ist schlicht unhaltbar. Als unsere Vorfahren noch Sammler und Jäger waren und es eine Landwirtschaft nicht gab, lag der Fleischverbrauch drei- bis viermal so hoch wie heute. Diejenigen, die ansonsten immer gerne von naturnahen Zuständen träumen, sollten sich dies einmal vor Augen halten. Der Fleischverbrauch bei uns ist nicht ungesund, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass bei bestimmten Erkrankungen Ärzte eine Reduzierung bestimmter Bestandteile des täglichen Speisezettels raten. Dies ist kein spezielles Problem des Fleischverzehrs, und solche Menschen sollten sich ihre Ratschläge wirklich besser vom Arzt als vom BUND holen. Mindestens ebenso groß sind nämlich die Risiken durch zu geringen Fleischverzehr. Eine streng vegetarische Ernährung könne bei Kindern zu Vitaminmangel führen, hieß es unlängst in der "Ärztezeitung". Im Vergleich zu normal ernährten Kindern seien die Vegetarier meist kleiner und hätten ein geringeres Körpergewicht. Auch stillende Mütter, die sich rein pflanzlich ernährten, riskierten, dass ihr Kind unter Vitaminmangel leide, so Prof. Koletzko von der Münchener Universität in der "Ärztezeitung". Die Folgen für das Kind könnten schwere Nervenschäden sein, die sich dann oft nicht mehr beheben ließen.

Kampagnen wie die jüngste des BUND werden vom landwirtschaftlichen Berufsstand als Angriff auf ihre wirtschaftliche Existenz verstanden. Wer es wirklich ernst meint mit dem Natur- und Umweltschutz, kann dies nur zusammen mit den Bauern schaffen und sollte sie sich deshalb nicht zu Feinden machen.