Nr. 47 vom 25. November 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Zum Thema Artenschutz hört man die verschiedensten Meinungen. Ein berufener Ökologe hat es jüngst so gesagt: Das Hauptproblem des Artenschutzes sind nicht die großen Zahlen gefährdeter oder verschollener Arten, wie sie auf den Roten Listen stehen; das Hauptproblem ist die mangelnde Vielfalt in der Fläche und die Gefährdung von Pflanzengesellschaften.

Wo ist denn überhaupt der Unterschied zwischen diesen beiden Aspekten? Die Antwort ist recht einfach und lässt sich durch eine nette Geschichte aus dem letzten Jahrhundert illustrieren:

Von den Rote-Liste-Arten waren viele auch schon vor über 100 Jahren selten. Man hat damals nur besonders akribisch gesucht. Im Schleswig-Holsteinischen Biographischen Lexikon können wir in dem Abschnitt über den Botaniker Lars Hansen, der von 1788 bis 1876 lebte, folgendes nachlesen:

"Hansen galt als der beste Kenner der Flora Schleswig-Holsteins und er war ein unermüdlicher Sammler und Meister im Pflanzenbestimmen." Wer einmal botanisiert hat, weiß, was es heißt, dass er aus seinen Herbarien allein über 900 Arten veröffentlicht hat. Wir lesen in dem Biographischen Lexikon auch, dass Hansen mit anderen Botanikern eng zusammenarbeitete, unter anderem mit dem Kieler E. F. Nolte. Nolte sammelte ebenso wie der Lübecker Apotheker G. R. Häcker, wie Hansens Schwiegersohn P. Paulsen und der dänische Botaniker Dr. Vaupell für Hansens Herbarium. Dies alles war konsequent und leidenschaftlich darauf angelegt, ein möglichst umfangreiches Herbarium zusammenzustellen. Es ging damals nicht um die Beschreibung ökologischer Zusammenhänge, nein, es ging um eine möglichst umfangreiche Sammlung, es war fast pure Sammelleidenschaft, ähnlich wie bei Briefmarkensammlern.

Dies wird besonders deutlich durch die Vorfälle, die die gute Zusammenarbeit zwischen Hansen und Nolte schließlich beendeten. Die beiden verfeindeten sich gar. Warum?

Zwischen den genannten Botanikern bestand ein striktes Verhältnis der Vertraulichkeit, was die Pflanzenstandorte anbelangte. Hansen aber, und dies warf Nolte ihm vor, hatte diese Vertraulichkeit gebrochen. Er hatte dem dänischen Justizrat Poulsen einige Standorte seltener Pflanzen genannt. Dies scheint noch ebenfalls auf der Basis der Vertraulichkeit geschehen zu sein, aber Poulsen gab die Standorte dem Kopenhagener Botaniker Dr. Lange weiter, und so wurden sie schließlich verbreitet.

Wohlgemerkt, die Standorte wurden nicht geheimgehalten, weil man sie vor Beeinträchtigungen durch andere schützen wollte. Man hielt sie geheim, um ein quantitativ möglichst größeres Sammelergebnis als die Konkurrenz vorweisen zu können.

Es empfiehlt sich also Vorsicht, wenn Kassandra-Ökologen auftreten und sich nur auf die Rote-Liste-Arten stürzen. Etwas komplizierter ist die ökologische Wissenschaft schon.

Oder anders: In Hansens Herbarium wird es etliche Pflanzenarten gegeben haben, die von Sammlern außerhalb seines Freundeskreises niemals gefunden wurden. Hätte es Hansen und seine Freunde nicht gegeben, würden wir heute annehmen, diese Pflanzenarten hätte es damals bei uns auch nicht gegeben. Bei diesen Arten würden wir dann per heute im Verhältnis zu damals nicht von verschollenen Arten sprechen.