Nr. 48 vom 1. Dezember 1995

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Auf einer Parteiveranstaltung war jüngst von einem der eingeflogenen "Experten" zu hören: Die Landwirtwirtschaft müsse dringend energieoptimierte Produktionsverfahren entwickeln. Bei der Veranstaltung ging es u. a. um die energetische Nutzung von Biomasse, und auf den ersten Bück sieht die Bemerkung des Experten auch leidlich vernünftig aus. Hätte er allerdings die Sache zu Ende durchdacht, hätte er diese Bemerkung sicherlich nicht gemacht.

Hinter seiner These steckte offensichtlich die weitverbreitete falsche Annahme, dass die Landwirtschaft Energieverschwender sei. Angesichts der Tatsache, dass die deutsche Ernte einen Brennwert von 3000 bis 3500 Petajoule hat und der hierfür erforderliche Energieverbrauch nur bei etwa 400 Petajoule liegt, kann man von Energieverschwendung wirklich nicht sprechen. Der Nettobrennwert der deutschen Ernte nach Abzug der Energieaufwendungen in der Landwirtschaft liegt immerhin bei etwa einem Viertel des gesamten deutschen Energieverbrauchs, und die Landwirtschaft ist zusammen mit Gartenbau und Forstwirtschaft der einzige Wirtschaftszweig, der mehr Energie produziert als er aufwendet, und dies in erheblichem Maße.

Vom Energieertrag der Landwirtschaft werden sicherlich bedeutende Mengen für die Nahrungsmittelproduktion benötigt, und auch die Stabilisierung des Humushaushalts der Böden erfordert den Einsatz von Biomasse, also einem Teil des oben erwähnten Brennwerts. Ein sehr großer Teil unserer Ernte würde aber theoretisch für energetische Nutzung zur Verfügung stehen, wenn die fossilen Energieträger nicht so billig wären.

Was heißt nun "energieoptimierte Produktionsweise"? Solange damit eine Senkung des Energieaufwands ohne Ertragseinbußen gemeint ist, ist die Sache selbstverständlich in Ordnung. Groß dürften hier die Spielräume angesichts der Rückgänge des Faktoreinsatzes in den letzten Jahren allerdings nicht mehr sein. Auch der ökologische Landbau, der beim Energieertrag um 30 bis 40 Prozent hinter dem konventionellen Landbau zurückliegt, würde bei einer Vollumstellung in Deutschland ca. 200 Petajoule benötigen. Energieoptimiert wäre eine solche Umstellung sicherlich nicht, denn der Nettoenergieertrag würde erheblich zurückgehen.

Unter einer energieoptimierten Produktionsweise wird man wohl nur eine solche Produktionsweise verstehen können, bei der der Nettoenergieertrag steigt. Man kann den Nettoenergieertrag steigern, wenn man auf intelligente Weise zusätzlich Energie aufwendet, insbesondere durch eine verstärkte Stickstoffdüngung. Bekanntlich haben selbst die Mehrerträge, die sich beim Brotgetreideanbau auf Grund von erhöhter Stickstoffdüngung mit dem Ziel besserer Backqualitäten ergeben, meist noch eine durchaus positive Energiebilanz. Der Ertrag lässt sich mit Stickstoffdünger selbst dann noch steigern, wenn sich die Sache ökonomisch längst nicht mehr rechnet. Stellt man allein auf eine Energieoptimierung ab, würde ein Kilogramm N zusätzlich sich selbst dann noch lohnen, wenn der Mehrertrag nur bei 4 kg Trockenmasse läge, denn mit 3 kg Trockenmasse könnte man 1 kg N herstellen. Ökonomisch ist das in aller Regel nicht, und Landwirte werden sich deshalb auch nicht so verhalten. Ob das ganze ökologisch ist, wird man ebenfalls bezweifeln müssen.

Dem eingeflogenen Experten muss man also sagen, dass die Landwirtschaft sich im betriebswirtschaftlichen Interesse der Bauern selbst und im ökologischen Interesse nicht um eine energieoptimierte Produktion bemühen wird. Hauptziel der Landwirte ist eine Optimierung der Deckungsbeiträge und das Bemühen um eine vernünftige ökologische Gesamtsituation.

Wenn man solche Experten hört, fragt man sich wirklich, wie Politiker eine bessere Politik machen sollen, wenn sie keine besseren Experten haben.