Nr. 1 vom 6. Januar 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In unseren Breiten trägt die Landwirtschaft in nicht geringem Umfang zur Verminderung der Artenvielfalt bei. Wer allerdings der Landwirtschaft in ihren modernsten Ausprägungsformen hierfür die Schuld gibt, unterliegt schon dem ersten Irrtum. Die Hauptursachen liegen in der Entwässerung von sumpfigem Gelände und die Nährstoffversorgung von Magerstandorten, die vor Einführung der Mineraldüngung landwirtschaftlich nicht nutzbar waren, also in Maßnahmen, die nicht erst in den letzten drei oder vier Jahrzehnten getroffen wurden. Moderner Pflanzenschutz und moderne Technik einschließlich der Güllewirtschaft spielen in diesem Zusammenhang eine vergleichsweise geringe Rolle.

Wer die Artenvielfalt auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen fördern will, muss die berücksichtigen, und das zur Verfügung stehende Wissen ist hier auch in ausreichendem Maße vorhanden. Zu diesem Wissen gehört allerdings auch die Tatsache, und sie hat in der Artenschutzkonferenz in Jakarta eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, dass die Artenvielfalt hierzulande durch die vorindustrielle Landwirtschaft zugenommen hat und noch heute über jener einer unberührten Naturlandschaft liegt.

Im übrigen stand Jakarta allerdings unter dem Motto, wie es die Wochenzeitschrift "Die Zeit" in ihrer Überschrift verdichtete: "Viele Arten wenig Wissen".

Das Umweltbundesamt hatte es vor zwei Jahren schon festgestellt: Es sei zu vermuten, dass auf der ganzen Welt weit mehr als die bisher beschriebenen 1,2 Millionen Tierarten und 372000 Pflanzenarten leben. In Jakarta war von 1,75 Millionen beschriebenen Arten insgesamt die Rede. Schätzungen schwanken zwischen 7 Millionen und 20 Millionen. Hier gilt also wirklich die Umkehrung des geflügelten Wortes "Wissen ist Macht". Unter den Biologen muss es eher heißen: "Wir wissen nichts, macht nichts". Diese Bewertung dürfte angesichts der erheblichen Schätz-Ungenauigkeiten kaum übertrieben bezeichnet werden können.

In Jakarta lag ein 1140 Seiten umfassender Bericht vor, von dem es in der Presse hieß, er werfe mehr Fragen auf, als er Antworten bringe.

Und in einer hochbrisanten Frage sind die Wissenschaftler ohnehin erst ganz am Anfang: Nach neueren Erkenntnissen leben im vulkanischen Gestein am Grunde der Weltmeere riesige Mengen von Einzellern. Einer der führenden Experten hierzu, Norman Pace von der Indiana Universität, USA, hält es für wahrscheinlich, dass hier eine völlige neue Biosphäre entdeckt werden wird. Nach Schätzungen soll die Biomasse der Mikroben im Vulkangestein, die von der Sonnenenergie unabhängig sind und ihre Energie aus den hohen Temperaturen des Erdinnern beziehen, ungeheuer groß sein. Sie wird als höher veranschlagt als das Gewicht aller Tiere und Pflanzen auf der Erde.