Nr. 28 vom 13. Juli 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Diskussion um das Für und Wider der Gentechnologie muss auf möglichst breiter Basis geführt werden. Dafür hat der Bauernverband sich immer wieder ausgesprochen. Es müssen nicht nur Chancen und Risiko in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen werden, dies muss auch vorurteilsfrei geschehen. So wurde es auf dem Deutschen Bauerntag in Friedrichshafen besprochen und beschlossen.

Die Diskussion im Berufsstand ist eine Sache, und die öffentliche Diskussion ist ein andere Sache. Bei öffentlichen Diskussionen geschieht es oft, dass Skeptiker und Kritiker sich lauter äußern als Befürworter und deshalb auch eher gehört werden. Bei der Diskussion über Gentechnik in Deutschland ist das sehr typisch.

Bei der öffentlichen Diskussion zur Gentechnik nimmt Deutschland eine Sonderstellung in der Welt ein. Von weltweit etwa zweitausend Freisetzungsversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen entfallen weniger als ein Dutzend auf die Bundesrepublik Deutschland. Dies erstaunt um so mehr, weil das Basiswissen bei uns einen weltweiten Vergleich nicht scheuen muss.

Es sind dieselben Menschen, die große Hoffnungen auf die Gen-Therapie gegen Krebs setzen, aber selbst den harmlosesten Freisetzungsversuch von gentechnisch behandelten Pflanzen fürchten.

Das öffentliche Bewusstsein zur Gentechnik ist aus der veröffentlichten Diskussion hergeleitet und entspricht ihr sehr weitgehend. Soweit die veröffentlichte Diskussion unausgewogen ist, ist es damit auch das öffentliche Bewusstsein.

Es finden sich die Befürworter nicht nur bei den interessierten Industrieunternehmen. Nachfolgend sei ein Befürworter zitiert, der aus einer Richtung kommt, bei der man dies eigentlich gar nicht erwarten würde. Es handelt sich hier um Worte des Mainzer Bischofs Karl Lehmann, der gleichzeitig Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Unter der Überschrift "Die gentechnische Herausforderung annehmen" hat er sich wie folgt geäußert: "Angesichts der in Deutschland umstrittenen und gesetzlich eingeengten Gentechnik will ich dazu beitragen, das gängige Vorurteil zu durchbrechen, als ob es hier um ein Teufelswerk geht, das nur dem Interessenfeld der Industrie und der Wissenschaft dient. Hier hat sich seit Jahren eine falsche Darstellung mit einer oft extrem negativen Meinungsbildung durchgesetzt. Das Aufzeigen von Risiken und Grenzen darf nicht zu einer globalen Verweigerung, sondern muss zur Annahme einer differenzierten Verantwortung führen.

Es gibt in der Auseinandersetzung über die Gentechnik zu viele Feindbilder oder mindestens irreführende Gewichtungen einzelner Aspekte. Ich möchte zu einer differenzierten Diskussion auffordern. Modewörter dürfen uns nicht den Kopf vernebeln. Wir müssen die Herausforderung des Menschen auch in der Gentechnik annehmen, die ihm schon auf der ersten Seite der Bibel gestellt ist: Der Mensch soll die Erde zugleich bewahren und bebauen, schonen und umgestalten. Aus dieser Spannung zwischen Erhalten und Konstruieren kann der Mensch nicht entlassen werden. Nur so kann auch die ethische Sensibilität in der Debatte um die Gentechnik wachsen."