Nr. 36 vom 7. September 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Immer wieder hören wir es: Die deutsche Landwirtschaft muss extensiviert werden. Diejenigen, die das sagen, meinen eine Verringerung der Aufwendungen an Produktionsmitteln und eine Senkung der Erträge. Meist wissen diese Menschen nicht, worüber sie reden.

Deutschland ist der zweitgrößte Netto Importeur für Nahrungsmittel in der Welt. Hier werden wir nur noch von den Japanern übertroffen. Nur 19 Prozent des in Deutschland verzehrten Obstes stammen aus deutscher Produktion. Beim Gemüse sind es knapp 40 Prozent, und beim Wein ist es etwa die Hälfte. Selbst bei Kartoffeln haben wir keine hundertprozentige Selbstversorgung.

In Deutschland wird zwar mehr Rapsöl erzeugt als verbraucht. Insgesamt aber haben wir bei pflanzlichen Fetten ebenfalls eine riesige Versorgungslücke. Bei Milch ist die Versorgungslücke zwar nur klein; aber auch hier müssen wir einen Teil unseres Bedarfs mit Einfuhren decken. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir in Europa nach wie vor trotz der Milchquote eine Überversorgung mit Milch und Milchprodukten haben.

Eines ist richtig: Nach Abzug der Einfuhren und des Bestandsabbaus bei Getreide bleiben hier exportierte Nettoüberschüsse in der Größenordnung von 5 Mill. Tonnen. Die gibt es allerdings nur deshalb, weil wir auch entsprechende Futtermitteleinfuhren haben.

Und dann noch das Wichtigste: In Deutschland werden an Schweinefleisch, Rindfleisch, Geflügelfleisch und Eiern knapp 100 kg pro Kopf jährlich verbraucht. In Deutschland erzeugt werden davon aber nicht einmal 80 kg. Würden wir die fehlenden 20 kg selbst erzeugen, bräuchten wir dafür mindestens 7 Mill. t Getreide. Sieht man also die Versorgung mit Getreide und tierischem Eiweiß als eine Einheit, haben wir auch hier eine tiefe Versorgungslücke.

Kaum jemand ist in Deutschland über diese geringe Selbstversorgungsrate mit Nahrungsmitteln beunruhigt, und an Ernährungsautarkie denkt sowieso niemand.

Aufgrund unserer Einbindung in die Europäische Union wäre dies auch grober Unfug.

Wer allerdings die Senkung der Erträge in der deutschen Landwirtschaft fordert und dies mit Umweltargumenten begründet, muss sich eines klarmachen: Eine Forderung auf Senkung der Erträge in Deutschland ist gleichbedeutend mit einer Forderung auf mehr Lkw und auf Importe aus Ländern, in denen die landwirtschaftliche Produktion im Zweifel weniger umweltfreundlich geschieht als in Deutschland.

Es soll doch niemand meinen, dass es um unsere Umwelt besser stünde, wenn ein größerer Teil der von uns benötigten Schweine und Hühner nicht in Deutschland gehalten würde, sondern außerhalb unserer Grenzen. Und was die Bodenproduktion anbelangt: Das Streben nach einer immer umweltfreundlicheren Produktion ist für die deutschen Bauern längst eine Selbstverständlichkeit. Vernünftig geht dies aber einher mit stabilen oder leicht steigenden Erträgen. Die deutschen Bauern haben es in den letzten Jahren bewiesen. Sie haben bei steigenden Hektarerträgen die Aufwandmengen verringern können.