Nr. 41 vom 12. Oktober 1996

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

120 Millionen Tonnen erscheint als gewaltige Menge. "Zukunftsfähiges Deutschland", eine Studie des sogenannten Wuppertalinstituts, bringt diese Zahl als die Menge, die in den alten Bundesländern durch Erosion im Durchschnitt der letzten Jahre von der landwirtschaftlichen Nutzfläche abgetragen worden sein soll.

Umgerechnet wären es 10 bis 11 Tonnen pro Hektar. Wie haben die Wuppertal-Leute diese Zahl ermittelt? An der Seriosität der Studie insgesamt bestehen nämlich einige Zweifel; behaupten die Wuppertal-Leute doch auch, die Probleme der Bodenerosion hätten sich in den zurückliegenden Jahrzehnten in Deutschland verschärft, was eindeutig nicht der Wirklichkeit entspricht. In Schleswig-Holstein kennen wir die wichtigsten Fakten hierzu genau: Hoher Anteil von Winterfrüchten, ideale Verteilung von Ackerland auf schwerere Böden und Grünland konzentriert auf dem Mittelrücken, die Windschutzpflanzungen des Programms Nord und vieles mehr.

Aber selbst, wenn die Zahl über die erodierten Mengen dennoch der Wirklichkeit entsprechen sollte, was besagt sie?

Der größte Teil der erodierten Bodenmengen entfällt auf die Winderosion. Das meiste der dabei bewegten Mengen aber landet nicht im Wasser, sondern auf anderen Flächen; ein Nullsummenspiel also insoweit.

Aber selbst, wenn die 10 bis 11 Tonnen pro Hektar wirklich verloren gingen, ist das nun viel oder wenig?

Bei 25 mg Phosphat pro 100 g Boden (Versorgungsklasse C) wären in 10 Tonnen immerhin 2,5 kg Phosphat enthalten, um die es schade wäre. Andererseits handelt es sich hier um eine Menge, die für ein Katastrophenszenario doch wohl nicht groß genug ist. Und nicht vergessen: das meiste davon geht nicht wirklich verloren, sondern ist Teil eines Nullsummenspiels zwischen Nachbarn.

Wenn dann gar aus dieser Menge die These vom unwiederbringlichen Verbrauch des Bodens abgleitet wird, kann man getrost von einer Übertreibung sprechen. 10 Tonnen Wasser pro Hektar würden einem Regenschauer von einem Millimeter entsprechen. Da Boden etwa doppelt so schwer ist wie Wasser, ginge es also bei einem Totalverlust von 10 Tonnen Boden um eine Bodenschicht von 1/2 mm. Im "Handbuch des Bodenschutzes" von Blume lesen wir hierzu: "Stark verallgemeinert ist die mittlere Erosionsrate für Mitteleuropa mit etwa 0,1 mm pro Jahr anzugeben... 1 m in 10 000 Jahren... ." Blume meint hier den wirklichen Bodenverlust, also nach Bereinigung um das Nullsummenphänomen, und damit im Schwerpunkt die Wassererosion.

Man kann sich darüber streiten, ob das viel ist. Einerseits würde es ohne Nachbildung von Mutterboden den Totalverlust einer 30 cm dicken Ackerkrume innerhalb von 3000 Jahren bedeuten. Andererseits ist fast die Hälfte unserer 30 cm dicken Ackerkrumen überhaupt erst in den letzten 40 Jahren entstanden. Die Frage, wie schlimm ein solcher Vorgang ist, kann hier nicht abschließend erörtert werden. Eines dürfte jedoch klar geworden sein, die These vom unwiederbringlichen Verbrauch des Bodens ist bezogen auf Deutschland verzerrend und unhaltbar.

Auf eines werden. wir uns alle. einigen können: Erosion sollte - so gut es geht - vermieden werden.

Im übrigen sollten wir die Diskussion über dieses Thema nicht den Wuppertalern überlassen. Im Gegenteil, die Wuppertaler sollten es den landwirtschaftlichen Fachleuten überlassen. Die haben - in unseren Breiten - nicht nur die richtigen Lehrbücher (s. o.), sondern auch die erforderliche Ausbildung und die Erfahrungen. Und . . ., sie lernen immer noch dazu, wie die jüngste Diskussion über geeignete Maßnahmen im Maisanbau zeigt.