Nr. 3 vom 18. Januar 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

5,8 Mio. Mark sind viel Geld. Wenn ein solcher Betrag aber aufgewendet wird, um für die Zukunft das Auftreten auch nur weniger Fälle von Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs zu verhindern , wäre das Geld gut angelegt. So hat denn auch mancher , der zunächst geneigt war, über die Kosten des zum Jahresende in Auftrag gegebenen Krümmelgutachtens den Kopf zu schütteln, verschämt innegehalten.

Mit der weltweit größten und umfassendsten Studie dieser Art, die an das Bremer Institut für Präventivforschung vergeben wurde , wollen die schleswig-holsteinische und die niedersächsische Landesregierung klären lassen, ob mögliche Strahlenbelastungen durch das Kernkraftwerk Krümmel oder andere Faktoren für die gehäuften Erkrankungen in der Elbmarsch verantwortlich sind. Minister Steenblock sagte Ende November hierzu gegenüber der Presse: "Sollte die Studie Anhaltspunkte dafür liefern, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen den schrecklichen Leukämieerkrankungen und dem Kernkraftwerk Krümmel besteht, muss es sofort abgeschaltet werden". Er hat also gesagt "sofort", gemeint hat er aber nicht "sofort". Gemeint hat er den Zeitpunkt, zu dem die Studie fertig ist. Denn, wenn er "sofort" gemeint hätte , bräuchte er keine Studie.

Wie viele Leute sollen an der Studie arbeiten ? Selbst, wenn es Hundert wären, könnten sie knapp 6 Mio. Mark nicht in wenigen Monaten verbrauchen. Unter der Parole "sofort" läuft hier also nichts. Erhoben werden sollen Daten der Jahre 1989 bis 1998. Bis diese Daten dann ausgewertet sind , dürfte das Jahr 2000 erreicht sein. Bis dahin wird es noch etliche Pressemitteilungen geben und die Verunsicherung der Bevölkerung immer weiter erhöht .

Ein ganz simpler und gleichzeitig unerbittlicher Aspekt gerät dabei zunehmend in den Hintergrund. Wenn irgendwo Strahlen emittiert werden, besteht selbstverständlich die Gefahr der Entstehung von Krebs. Hierzu braucht man keine neuen Studien. Es geht also letztlich um die Frage , ob aus dem Kraftwerk wirklich in gefährlichen Mengen Strahlen emittiert werden oder nicht.

Die Beantwortung dieser Frage erfordert einen vergleichsweise geringen Messaufwand, für den nur ein Bruchteil der Zinsen von 6 Mio. ausgegeben werden müsste. Wenn die Antwort "ja" wäre, müsste man sich der Sache sofort annehmen; und zwar sofort im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs und nicht im Sinne von Steenblock.

Sollte die Antwort aber "nein" sein, hätte die Landesregierung eine andere wichtige Aufgabe, nämlich , den Menschen unberechtigte Angst zu nehmen. Sollte die Strahlung von Krümmel so gering sein, dass z.B. die Strahlung aus dem Baumaterial eines normalen Einfamilienhauses höher wäre, müsste der zuständige Minister es den Menschen sagen.

Eines jedenfalls sollte zur Angstmache nicht mehr herangezogen werden, die nackte Tatsache einer überdurchschnittlichen Anzahl von Leukämiefällen bei Kindern. Dies verbietet sich nicht nur deswegen, weil in der Elbmarsch die Zahl der Erkrankungen bei Erwachsenen im Gegensatz zu den Zahlen bei Kindern unterdurchschnittlich ist und in der Gesamtbevölkerung deshalb dort durchaus durchschnittliche Verhältnisse herrschen.

Nein, mit dem Wort "überdurchschnittlich" ist es auch sonst so eine Sache: Nimmt man beim Durchschnittswert genügend Zahlen hinter dem Komma, liegt schließlich niemand mehr auf dem Durchschnitt. Dann liegt nach den Regeln der Statistik eine Hälfte darüber und die andere darunter. So viele Kernkraftwerke und Awacs-Flugzeuge, oder was immer schon zur Begründung herhalten musste, gibt es aber gar nicht.