Nr. 8 vom 22. Februar 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In bestimmten Kreisen ist die Verunglimpfung des Verzehrs und der Erzeugung von Fleisch inzwischen so zur Selbstverständlichkeit geworden, dass wirklich jedes Mittel zur Anwendung kommt. Über das Stadium der Halbwahrheiten ist man hier längst hinaus. Die verrücktesten Gedanken müssen inzwischen herhalten.

In der letzten Woche ging es durch die Presse: "100.000 Liter Wasser für 1 kg Fleisch".

Zur Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch seien rund 100.000 Liter Wasser nötig, so hätten amerikanische Wissenschaftler herausgefunden.

Unser deutscher Verbraucher stellt sich jetzt 100 m3 Leitungswasser vor, die hier verschwendet werden. Sollte er zu den Rechenkundigen im Lande gehören, würde er allerdings schnell merken, dass die Sache vom Preis her nicht aufgeht.

Unter Deutschen Erzeugungsbedingungen ist die Sache doch nun wirklich einfach. Nehmen wir einmal vorsichtig gerechnet an, das deutsche Rind würde zwei Tage benötigen, um ein kg Fleisch anzusetzen. Wenn dann der tägliche Wasserbedarf dieses Rindes 25 Liter beträgt, braucht es 50 Liter Wasser, um ein kg Fleisch zu erzeugen, und nicht 100000 Liter. Bezogen auf den täglichen Fleischverbrauch des deutschen Verbrauchers wäre das ein winziger Bruchteil des täglichen Dusch-, Bade- und Toilettenwassers.

Höhere Zahlen sind nur dann berechtigt, wenn die Futtererzeugung mit künstlicher Beregnung erfolgt. Dies geschieht aber in Deutschland praktisch überhaupt nicht, und deswegen wird der deutsche Leser durch derartige Berichte in die Irre geleitet. Es ist jedenfalls kaum anzunehmen, dass den Menschen mitten in Berlin, Hamburg oder München dies so geläufig ist. Und selbst wenn sie eine entfernte Ahnung von den Erzeugungsgewohnheiten in Deutschland haben sollten, würde sich bei vielen von ihnen dennoch die Zahl 100.000 festsetzen. Vermutlich ist es das, was die Verbreiter derartiger Geschichten wollen.

In Deutschland wird der Wasserbedarf für die Futtererzeugung über den Regen gedeckt. Dabei ist es keineswegs so, dass unter landwirtschaftlichen Feldern mit üppigem Pflanzenbewuchs weniger Grundwasser neu gebildet wird als anderswo. Nein, es ist umgekehrt. Nirgendwo wird so viel Grundwasser neu gebildet wie unter landwirtschaftlichen Kulturen, und auf jeden Fall mehr als in den versiegelten und zugebauten Städten, und dies auch in besserer Qualität. Ja, sogar unter Wald ist die Grundwasserneubildung geringer als unter landwirtschaftlichen Kulturen.

Aber selbst, wenn es bei uns überhaupt nicht regnen würde, wir die bei uns üblichen 750 mm Regen unseren Feldern also künstlich zuführen müssten, wäre die Zahl 100.000 Liter grob falsch. Von 750 Litern/m2 würde wiederum etwa die Hälfte dem Grundwasser zufließen. Rechnen wir 400 Liter der Futterproduktion zu, würde man, wenn denn die Zeitungszahlen richtig wären, mit einem ha gerade 40 kg Fleisch erzeugen?!

Jeder einigermaßen fachkundige Mensch weiß, dass tatsächlich mehr als das zehnfache pro Hektar erzeugt wird. Hier scheint sich ein Fehler in der Größenordnung von mindestens dem Faktor 10 eingeschlichen zu haben. Vermutlich haben unsere Zeitungsleute aus dem amerikanischen Forschungsbericht eine Null zuviel übernommen.

Aber, was ist schon eine Null? Und noch eine Frage am Rande: "Muss man denn unbedingt Fleisch mit Futter aus künstlicher Beregnung erzeugen in Gegenden, in denen es kaum regnet?" So mancher landwirtschaftlich kundige deutsche Tourist hat in Kalifornien darüber schon den Kopf geschüttelt.