Nr. 16 vom 19. April 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Gerd Sonnleitner war kaum im Amt, als der BUND sich bereits mit schwerstem Geschütz auf den neuen Bauernpräsidenten einschoss. Vorgeworfen wurde ihm, "auch der neue Präsident opfere die Interessen der Bauern auf dem Altar der Agrarchemie". Verbreitet werden solche Thesen von einem Mann, der sich als Landwirtschaftsexperte des BUND bezeichnet, von Hubert Weiger. Gehen wir also der Frage nach, was Sonnleitner verbrochen hat, dass er so hart kritisiert wird. Sonnleitner hatte die Todsünde begangen, das Gutachten zu kritisieren, das der BUND gemeinsam mit der katholischen Organisation Misereor beim Wuppertalinstitut in Auftrag gegeben hatte. "Zukunftsfähiges Deutschland" hieß die Studie und befasste sich mit den Voraussetzungen für eine nachhaltige umweltgerechte Landwirtschaft. Das Ergebnis war: Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende Umstellung der deutschen Landwirtschaft auf den Ökologischen Landbau bis zum Jahr 2010.

Sonnleitner hat dies als eine Diffamierung von 98% aller Bauern bezeichnet, womit er Recht hat. Denn, die Forderung des Wuppertalinstituts besagt nicht mehr und nicht weniger, als dass 98% unserer Bauern angeblich nicht nachhaltig wirtschaften, nicht umweltgerecht wirtschaften und nicht zukunftsfähig. Das ist schon starker Tabak, und Sonnleitner hat nichts anderes getan, als seine Bauern gegen eine solche Unverschämtheit in Schutz zu nehmen. Wie weit müssen Menschen, die aus einer selbstverständlichen Handlungsweise des neuen Präsidenten eine derartige Affäre machen, von der landwirtschaftlichen Praxis entfernt sein.

Mit den Wuppertalern und Misereor hat es übrigens intensive Gespräche über das Gutachten gegeben. Das Ergebnis war kurios. Sie waren nicht bereit zuzugeben, dass die o.a. These und einige andere gleichartige Sätze falsch sind. Auf die Vorhaltung, richtig seien die Thesen doch wohl nicht, räumten sie ein : nein, richtig seien sie denn wohl nicht. Als der Umweltsprecher des Deutschen Bauernverbandes, Rainer Latten, dann nachsetzte, wenn die Thesen nicht richtig seien, seien sie doch falsch, hieß es : "falsch sind sie nicht". Wer das noch versteht, muss höhere Weihen haben als allgemein üblich.

Aber zurück zu Weiger, dem "Landwirtschaftsexperten", und dem BUND. Niemand hat in der konventionellen Landwirtschaft etwas gegen die Berufskollegen, die ihre Betriebe nach den Regeln des Ökologischen Landbaus betreiben. Es ist auch überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn der Anteil der Ökologischen Betriebe wächst, solange dies den umstellenden Bauern nützt. Nur, die These von der flächendeckenden Umstellung ist eben, siehe Sonnleitner, eine Diffamierung, und sie ist auch wirklichkeitsfremd.

1996 stieg der Flächenanteil der Ökobetriebe in Deutschland von 1,7% auf 1,8%. In der jüngsten Vergangenheit hatte es höhere Wachstumsraten gegeben, aber auf diesem niedrigen Niveau. Selbst, wenn es in den nächsten Jahren wieder etwas höherer Zuwachsraten geben sollte, eine flächendeckende Umstellung bis 2010 ist eine reine Illusion. Mit der Zuwachsrate des Jahres 1996 würde es bis zum Jahre 2126 dauern. Es macht überhaupt keinen Sinn, so langfristige Überlegungen anzustellen, auch wenn rechnerisch nicht das Jahr 2126 herauskäme, sondern vielleicht 2060 oder 2080. Wenn die Bevölkerungsentwicklung so verläuft, wie sie von Fachleuten heute prognostiziert wird, werden auch dann schon weltweit mehr als doppelt so viele Menschen zu versorgen sein wie heute. Weltweit gibt es dann völlig andere Herausforderungen.

Und, eine flächendeckende Umstellung auf den Ökologischen Landbau allein in Deutschland würde schon heute die Rate der Nahrungsimporte drastisch steigen lassen. Das nämlich hat der "Landwirtschaftsexperte" des BUND auch übersehen: Wir sind schon heute der zweitgrößte Nettoimporteur für Nahrungsmittel auf der Erde.