Nr. 17 vom 26. April 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Das wichtigste Schlüsselwort der engagierten Umweltbotschaft ist das Wort "noch". Das Wörtlein "noch" ist ein kleiner sprachlicher Tausendsassa, der die tollsten Effekte erzielt. Nehmen wir mal einen Beispielsatz: " Vor der Küste Floridas tummeln sich die Delphine." Der Satz ist irgendwie zu gut und könnte aus dem Neckermann-Reisekatalog stammen. Fügen wir also unsere kleine Wunderwaffe ein: "Vor der Küste Floridas tummeln sich noch die Delphine."

Sie sehen, Umweltherolde haben eine Waffe, mit der sie jede gute Nachricht kaputt kriegen. In den Blättern eines schleswig-holsteinischen Zeitungsverlages kam diese Waffe erst jüngst wieder zum Einsatz. Auf der ersten Seite der Blätter gab es die Schlagzeile "Umweltgifte - Wasser in Gefahr". Der erste Satz lautete "Spritzmittelrückstände der Landwirtschaft gefährden das Grundwasser". Nun lesen die meisten Menschen Zeitungsartikel nicht ganz zu Ende. Wenn dann ein Artikel auf der ersten Seite beginnt und auf Seite 4 fortgesetzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Neuigkeiten der zweiten Hälfte noch viele Leser erreichen, gering. Dort hieß es dann "das Trinkwasser im Norden ist gut".

Auf die Gefahr hin, dass die "Sensation" auf der ersten Seite womöglich bei den wenigen Lesern, die sich bis hierher durchgearbeitet hatten, zerplatzen könnte, kam jetzt die Wunderwaffe zum Einsatz: "In Schleswig - Holstein sieht es noch gut aus".

Hinter der ganzen Sache steckte etwas, was wir schon im Bauernblatt vom 5. April, dort allerdings sachlich korrekt, dargestellt hatten. Nachdem die Grundwasserbelastungen mit Pflanzenschutzmitteln aus dem flächenhaften Einsatz rückläufig waren, hat man sich verstärkt den restlichen Befunden zugewandt und erfolgreich versucht diese aufzuklären. So stieß man auf das Phänomen, dass beim Waschen der Spritzgeräte winzige Mengen in die Kanalisation gelangen und über das Klärwerk in die Gewässer. Auf Grund der unvorstellbar strengen Grenzwerte kann es dann zu Grenzwertüberschreitungen in Filtratwasser kommen. In Schleswig - Holstein ist das kein Problem, da wir praktisch keine Trinkwassergewinnung aus Oberflächengewässern haben. In einigen anderen Bundesländern wurde auf Grund dieser Erkenntnis eine Strategie zur Vermeidung der Restmengen entwickelt: Spritzgeräte wäscht man tunlichst nicht auf Waschplätzen, sondern auf dem Feld, auf dem sie zuletzt eingesetzt wurden. Man füllt sie mit Wasser und verspritzt dieses Wasser auf dem Feld. Zurück zu der Wunderwaffe: Ihre Anwender trauen ihr offensichtlich nicht 100%ig. Die Umweltherolde des oben genannten Zeitungsverlages schoben in diesem Fall vorsorglich noch eine handfeste Zahlenmanipulation hinterher. Das heißt nicht, sie taten es nicht selbst. In solchen Fällen wird irgendein Vertreter irgendeines Umweltverbandes zitiert, Material gibt es da reichlich.

Hier bemühte man Ulf Jacob von der Umweltstiftung WWF. Dieser seinerseits hatte offensichtlich die Biologische Bundesanstalt für Land - und Forstwirtschaft (BBA) als Quelle benutzt. Jacob kam zu der Feststellung, der "Absatz und Einsatz von Pestiziden nehme weiter zu". 1995 seien rund 23000 Tonnen (so stand es in der Zeitung) eingesetzt worden, 20% mehr als 1993. Es stimmt, dass 1993 die Einsatzmengen besonders gering waren; es gibt nun einmal, besonders bei den Fungiziden, wetterabhängige Jahresschwankungen.

Tatsache ist aber auch, dass in den zurückliegenden vier Jahren die Aufwandmengen deutlich geringer waren, als in den Jahren davor. Unmittelbar vor der Wiedervereinigung lagen die Aufwandmengen Jahr für Jahr über 30000 Tonnen, und das allein in den alten Bundesländern. Die aktuellen Zahlen der BBA beziehen sich auf ganz Deutschland.