• Nr. 20 vom 17. Mai 1997
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    Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

    Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

    Logisch?

  • Umweltpolitik und Umweltrecht sind heute so umfangreich, dass es niemanden mehr gibt, der alles überschaut. Fast täglich kommen neue Umweltvorschriften hinzu. Leute, die die in Deutschland existierenden Regeln zum Umweltschutz gezählt haben, sprechen von inzwischen Tausenden. Es hat einmal jemand ausgerechnet, dass die Lebensarbeitszeit eines Menschen nicht mehr ausreichen würde, alle zu verstehen. Und trotz dieser Vielfalt von Regelungen scheint es eine fast ebenso große Fülle unbeantworteter Fragen zu geben. Dabei geht es keineswegs nur um Fragen zu unwichtigen Details, sondern auch um wirkliche Kernfragen.

    So haben es die Lehrer an unseren Schulen absolut nicht leicht, ihren Schülern auch nur das Wichtigste zu vermitteln. Das Ergebnis ist, dass häufig nicht Fakten gelehrt werden, sondern dass Lehrer ihre Aufgabe nur noch darin sehen, das Umweltbewusstsein ihrer Schüler zu heben. Das ist sicherlich solange gut, wie Fakten und Zusammenhänge hinzukommen. Eines unterbleibt aber meist völlig: Fragen werden nicht bis auf den Grund untersucht, und was ein Abwägungsprozess ist, lernen Kinder häufig gar nicht mehr.

    Eine löbliche Ausnahme machte kürzlich ein Lehrer, der mit seinen Schülern das Thema Kernkraft durchleuchtete. Das Heißt, er hat es versucht. Dabei stieß er gemeinsam mit seinen Schülern auf das Problem, dass man bestimmte Hintergründe nur ausleuchten kann, wenn man bestimmte Akteure nach ihrer Meinung befragt. Didaktisch konsequent wurde also zunächst ein Brief mit Fragen an die Grünen aufgesetzt. Zur Kernkraft vertreten Bündnis 90/Die Grünen bekanntlich die Meinung, dass man aus ihr möglichst schnell und vollständig auszusteigen habe. Unser Lehrer spielte die Sache so durch, das er diesen Standpunkt akzeptierte und nur eine sich daran anknüpfende Frage untersuchte: Ein Ausstieg ist nur dann machbar bzw. verantwortbar, wenn die vorhandenen radioaktiven Brennelemente und überhaupt alles strahlende Material dem unbefugten Zugriff Dritter entzogen werden. Nun gibt es aber einen heftigen Streit wegen eines entsprechenden Endlagers bzw. Aktivitäten gegen ein Endlager.

    Der Lehrer bat die Landtagsfraktion der Grünen, ihm zu helfen und den Schülern einen plausiblen Lösungsweg auf kein/ein ?? Endlager vorzuschlagen. Von der Landtagsfraktion erhielt er folgende Antwort:

    "Da es sich bei der Frage der Endlagerung von Atommüll um eine bundespolitische Angelegenheit handelt, habe ich mir erlaubt, Ihr Schreiben mit der Bitte um Beantwortung weiterzuleiten an die Fraktion Bündnis 90/Die grünen im Deutschen Bundestag ... . Ich gehe davon aus, dass sie in Kürze von dort eine Antwort auf Ihre Frage erhalten werden."

    Die Grünen in Schleswig-Holstein hatten sich also offensichtlich mit dieser Frage noch nicht befasst. Jedenfalls schienen sie die Auffassung ihrer Bundespartei zu diesem Thema nicht zu kennen. Auch in der Umweltministerkonferenz, in der die Grünen nicht nur durch den Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein vertreten sind, scheint es hierzu noch keinen Gedankenaustausch gegeben zu haben, jedenfalls nicht unter den Grünen. Dies alles ist umso erstaunlicher, weil in der Bundestagsfraktion der Grünen deren schleswig-holsteinische Landespartei durchaus ebenfalls vertreten ist.

    Übrigens lag unserem Lehrer vier Wochen später noch keine Antwort aus Bonn vor. Er hat versprochen, uns auf dem Laufenden zu halten.