Nr. 22 vom 31. Mai 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

12 Milliarden Mark werden jährlich in Deutschland für Medikamente ausgegeben, deren behauptete Wirkungen sich nicht wissenschaftlich nachweisen lassen. Ein Gesetz ist jetzt in Arbeit, wonach derartige Medikamente zukünftig auch von den Krankenkassen zu bezahlen sind. Das Gesetz ist bereits in 3. Lesung im Bundestag verabschiedet und jetzt im Vermittlungsausschuss anhängig. Am 12. Juni soll es den Bundestag erneut beschäftigen. Namhafte Mediziner warnen, nach dem neuen Gesetz könne künftig jeder niedergelassene Kassenarzt jede noch so abstruse Heilmethode auf Krankenschein abrechnen dürfen - auch wenn seine Pülverchen, Wässerchen oder Heilslehren nach medizinischem Wissensstand noch niemals einem Patienten genutzt haben. Aber, wenn das Gesetz am 12. Juni beschlossen wird, tritt es am 1. Juli rückwirkend zum 1. Januar in Kraft.

In einer Resolution der Deutschen Krebsgesellschaft heißt es hierzu: "In einer Zeit, in der Krebspatienten medizinisch notwendige Rehabilitationsmaßnahmen gekürzt oder sogar gestrichen werden, wird die Hintertür geöffnet für Ausgaben in Milliardenhöhe, deren Nutzen für Patienten nicht erwiesen ist."

Zur Klarstellung: Jeder muss die Freiheit haben, die Methoden bei sich anzuwenden oder anwenden zu lassen, von denen er sich Heilung verspricht. Worum es hier geht, ist, ob er ein Recht erhalten soll, sich Maßnahmen von den Mitversicherten finanzieren zu lassen, obgleich sich für die Wirksamkeit der Maßnahmen keine Beweise erbringen lassen. Weiter zur Klarstellung: Wir sollten uns nicht denen anschließen, die alternative Heilmethoden deshalb ablehnen, weil sie alternativ sind; aber diese Methoden müssen auf den Prüfstand, sie müssen einer unbefangenen Prüfung unterzogen werden.

Man spricht in dieser Diskussion von der "sanften Medizin", der "Alternativmedizin" oder der "Ganzheitsmedizin". Zum Begriff "Alternativmedizin" sagte Prof. Gallmeier: "Alternativ zu was? Patienten haben ein Anrecht auf eine gute Medizin. Dazu sehe ich keine Alternative. Für mich gibt es nur die Grenze zwischen einer guten und einer schlechten Medizin."

Im Bundestag wurde argumentiert, es müsse für die Beurteilung der Wirksamkeit unkonventioneller Verfahren andere Kriterien geben als die, die "von der chemischen Industrie ausgegeben werden". Die so argumentierte, war übrigens keine Abgeordnete der Grünen, sondern der CDU. Eines übersah sie jedoch: Die chemische Industrie gibt hier keine Kriterien vor. Es gelten hier international einheitliche Standards, die sich auf eine einfache Formel bringen lassen: "Wird das Leiden von Patienten mit größerer Wahrscheinlichkeit gelindert oder geheilt, wenn sie das fragliche Medikament einnehmen?" Wer hier durchfällt und sich nur auf nicht überprüfbare Einzelfälle stützen kann, ist eben durchgefallen, und dies nicht wegen der chemischen Industrie, sondern deswegen, weil die erforderlichen Nachweise nicht erbracht werden konnten.

"In der jeweiligen Therapierichtung anerkannt". Um diese Worte soll das Sozialgesetzbuch erweitert werden. Damit wird es Gruppen von Ärzten ermöglicht, eine sogenannte "Innenanerkennung" auszusprechen, auch für Medikamente, die nichts bewirken. Alle Hoffnungen konzentrieren sich jetzt darauf, dass der Bundesausschuss für Krankenkassen und Ärzte, der für die Kassenzulassungen von Heilverfahren zuständig ist, auch künftig nicht von anerkannten wissenschaftlichen Erklärungen abweicht. Nach Aussagen von Fachleuten soll das rechtlich auch nach dem neuen Gesetz möglich sein, wenn der Ausschuss es will, schwerer wird es aber. Verhindert werden sollte jedenfalls, dass die Solidaritätsgemeinschaft für Dinge aufkommen muss, deren behaupteter Nutzen nicht nachgewiesen werden kann.